Leserbriefe

Eine einseitige Schuldzuweisung

Manfred Kienzle, Nürtingen. Zum Artikel „574 Sterbeurkunden als Mahnung“, vom 3. August. Diese Ausstellung mit lokalem Bezug ist Mahnung und Erinnerung an die Generation, die den Zweiten Weltkrieg nicht mehr selbst erlebt hat. Allerdings können die Folgen von Krieg auch heute tagtäglich in unseren Medien aktuell mitverfolgt werden: Das Drama um Aleppo, der Krieg in der Ostukraine, die Kämpfe in Libyen. Wenn allerdings deutsche Politiker, wie der Bürgermeister von Zerbst, heute noch die damaligen Geschehnisse so zitieren: „Zerstört haben die Stadt Zerbst nicht US-Bomben, sondern die Politik der Nazis“, dann kann es nicht verwundern, dass viele in unserer Gesellschaft diese einseitige Sicht der alliierten Siegermächte – vor allem, wenn sie von politisch Verantwortlichen postuliert wird – heute nicht mehr kritiklos akzeptieren.

Nicht nur im Zweiten Weltkrieg wurden von alliierter Seite Kriegsverbrechen begangen, die man auch so nennen sollte. Auch in den Jahrzehnten danach gibt es genügend Beispiele, wo den Völkern in Asien, Afrika und im Nahen Osten Tausende Menschen durch militärische Einmischung der USA, Großbritanniens und Frankreichs zu Tode kamen und kommen, ohne dass dieses hier entsprechend moralisch bewertet wird. Eine einseitige Schuldzuweisung für alle Folgen eines Krieges zeigt ein mangelhaftes historisches Verständnis und lässt Platz für Populisten jeder Richtung.

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