Leserbriefe

Die Sache Oettinger

Harry Semmler, Wendlingen. Man kannte ja bisher schon einige Äußerungen des Ministerpräsidenten Oettinger, die wenigstens Anlass zur Belustigung ergaben. Hier ist es aber nun ganz schlimmer, ganz bitterer Ernst geworden. Das Verleugnen der NS-Vergangenheit des Herrn Filbinger kann man nur als Perversität bezeichnen. So ist es ja auch schon in aller Öffentlichkeit genannt worden. Hier ist noch zu einem Zeitpunkt mit seiner Unterschrift getötet worden, als die Nazi-Hölle endlich ihr blutiges Ende erreicht hatte.

Ich, Jahrgang 1930, in Mitteldeutschland geboren, habe in zwei Diktaturen genug Erfahrungen sammeln müssen, welche Arten von Kompromissen lebensnotwendig waren. Ich muss dazu nicht aufgeklärt werden. Das trifft hier auf den Fall Filbinger nicht zu. Es war das Recht des Verbrechers H. und seiner Bande, auf das sich Filbinger berief und das er somit guthieß. Es war das Recht des Juristen Freisler, laut Brockhaus die Verkörperung des national-sozialistischen Justiz-Terrors.

Viele unserer Landsleute sind in den zwölf Jahren schuldig geworden oder mussten schlimme Kompromisse für ihre Familien, ihre Angehörigen eingehen. Sie haben dann Reue gezeigt, sich geschämt, haben Buße getan. Dies nicht zuletzt als Christen. Nach Filbingers Worten, dieses furchtbaren Juristen, ist nur ihm Unrecht geschehen, in Form von Rufmordkampagnen. So fallen dunkle Schatten auf seine Verdienste, die er sich ja nach 1945 auch noch erworben hat.

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