Leserbriefe

Die deutsche Vergangenheit

Adrian Ender, Nürtingen. Zum Artikel „Mandeln in Hülle und Fülle“ vom 20. August. Wie schön, dass im letzten Sommerrätsel die Heimatstadt meines Großvaters zu erraten war, das südmährische Hustopece, zu Deutsch Auspitz (nicht Auspiz, wie in der Dienstag-Ausgabe). Zwar wurde die Mutter von Tomas Masaryk, dem ersten tschechoslowakischen Präsidenten, in der Stadt geboren. Nicht erwähnt wurde, dass die Auspitzer Gegend zwischen dem 11. und 13. Jahrhundert von deutschen Einwanderern aus Niederösterreich besiedelt wurde. 1910 waren 88 Prozent der Auspitzer deutschsprachig. Masaryk selbst bezeichnete seine Mutter mitunter als Deutsche.

1919, bei der Zerschlagung Österreich-Ungarns, wurden die deutschsprachigen Teile Südmährens der Tschechoslowakei zugesprochen. Immerhin war Auspitz 1930 noch zu 51 Prozent deutsch, die umliegenden Dörfer zu über 90 Prozent. Erst nach 1945 wurde die deutsche Bevölkerung im Zuge einer ethnischen Säuberung ausgetrieben, 21 Zivilisten fanden den Tod.

Allerdings trugen die Deutsch-Südmährer eine Mitschuld an ihrem Schicksal. Ab 1935 folgten sie größtenteils der Sudetendeutschen Partei, die als „Fünfte Kolonne“ Hitlers in der Tschechoslowakei Aufruhr stiftete. Im Oktober 1938, nachdem Hitler beim Münchner Abkommen die sudetendeutschen Gebiete geschenkt worden waren, bejubelten die Deutsch-Südmährer die einmarschierenden Nazitruppen und streuten Blumen.

Auch wenn die deutschen Auspitzer in üblen Zeiten eine unrühmliche Rolle spielten, ist es doch recht geschichtsvergessen, die deutsche Vergangenheit der Stadt völlig totzuschweigen.

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