Leserbriefe

Das Problem ist drastischer als erwähnt

Peter Kreuzhof, Bempflingen. Zum Artikel „Abiturienten scheuen sich vor der großen Entscheidung“ vom 15. März. Der Artikel von Frau Turzer beleuchtet ein Problem, das viel dramatischer ist als im Artikel dargestellt. Eines ist sicher allen Betroffenen klar: Die richtige Berufswahl junger Menschen ist ein entscheidendes Kriterium für erfolgreiches und wirtschaftliches Handeln, auf deren Grundlage die Bewältigung der Aufgaben, die sich eine moderne Gesellschaft stellt, steht. Eine sich als ungeeignet herausstellende Berufswahl führt in der Regel zu einem beruflichen Neuanfang, der nicht nur den Verlust von Lebensarbeitszeit des Betroffenen verursacht, sondern auch mit Kosten verbunden ist, von denen keine wirtschaftlich positive Wirkung für die Gesellschaft ausgeht.

Dies ist auch vor dem Hintergrund knapper Personalressourcen für Fach- und insbesondere Führungskräfte ein nicht zu vernachlässigendes Kriterium auch für das Erreichen aller Unternehmensziele, im Privatleben, in der Wirtschaft wie auch in allen öffentlichen Verwaltungen.

Deshalb hängt die entschlossene, zielorientierte und richtige Berufswahl entscheidend vom Informationsstand der Schulabgänger ab. Bei den vor der Berufswahl stehenden Schülern der Gymnasien ist dies von besonders tief greifender Bedeutung, weil ihnen durch die Fachhochschulreife oder das Abitur das umfassendste Spektrum der beruflichen Möglichkeiten offen steht. Die beruflichen Möglichkeiten umfassen neben der beruflichen Ausbildung im dualen System das gesamte Spektrum von Fachschulen, Dualen Hochschulen, Hochschulen und Universitäten, somit eine Fülle von Möglichkeiten, die nur schwerlich zu überblicken ist. Kein anderer Schulabgänger steht vor dieser Situation.

Auch in Anbetracht der mit einem Studium verbundenen erheblichen Kosten hat deshalb Berufsorientierung einen besonderen Stellenwert, wenn damit Studienwechsel minimiert, wenn auch nicht immer verhindert werden können. Die bisherigen Möglichkeiten der Berufsorientierung durch Arbeitsagenturen, Studienberatungen, der Betriebspraktika und der Studientage entsprechen offenbar nicht annähernd dem Beratungsbedarf.

In diesem Zusammenhang wird auf die teilweise immensen Abbruchquoten hingewiesen, die dem HIS-Projektbericht „Die Entwicklung der Schwund- und Studienabbruchquoten an den deutschen Hochschulen“ vom Mai 2008 zu entnehmen sind. Danach fällt an den Fachhochschulen der Studienabbruch im Bachelor-Studium sehr hoch aus. Die Quote erreicht überdurchschnittliche 39 Prozent. Dahinter stehen vor allem die entsprechenden Studiengänge in den Wirtschafts- und Ingenieurwissenschaften, sie stellen den größten Anteil der Bachelor-Studenten an den Fachhochschulen, wobei diesen Studiengängen im Wirtschaftsgeschehen eine Schlüsselfunktion zukommt. Insgesamt bleiben 42 Prozent der Männer und 35 Prozent der Frauen in ihrem Studienvorhaben erfolglos. Vor diesem Hintergrund müsste von den politisch Verantwortlichen die Sinnhaftigkeit der Beratungsarbeit von Arbeitsagentur und Studienberatungen inquisitorisch hinterfragt werden.

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