Leserbriefe

Corona-Pandemie und Verhältnismäßigkeit?

Veronika Schneider, Nürtingen. Wo stehen wir in unserer Gesellschaft gerade? Die jetzt aufgestellten rechtlichen Rahmenbedingungen, die massiv in unsere Grundrechte eingreifen, hätten wir uns bis vor Kurzem nicht vorstellen können – und auch nicht wollen. Dabei wurde erst letztes Jahr das 70-jährige Bestehen des Grundgesetzes mit seinen 19 Grundrechten groß gefeiert und zu Recht ihre Wichtigkeit betont.

Wo bleibt die Verhältnismäßigkeit bei dem, was gerade gegen die Ausbreitung von Covid-19 unternommen wird? Ist es verhältnismäßig, dass die Bürger von offizieller Seite aufgerufen werden, Verstöße gegen die Vorgaben anzuzeigen und die Einhaltung der Vorgaben mit einem Aufgebot an Streifenwagen, Hubschraubern, Wasserschutzpolizei und berittenen Polizisten überwacht wird, wie am Osterwochenende geschehen? 2500 festgestellte Verstöße hören sich zunächst nach viel an, wenn man es aber auf die 1101 Gemeinden in Baden-Württemberg herunterbricht, sind das gerade mal etwas über zwei Verstöße pro Gemeinde. Ist es verhältnismäßig, dass hunderttausende Kinder wochen-, voraussichtlich monatelang quasi keinen Kontakt zu ihren Altersgenossen haben können? Ist es verhältnismäßig, dass 820 000 Bewohner in den Pflegeheimen von ihren Angehörigen wochen-/monatelang physisch isoliert sind? Und dies geschieht alles, obwohl laut Robert-Koch-Institut (Epidemiologisches Bulletin 17/2020) die Kurve der Reproduktionszahl bereits vor dem Lockdown stark abgesunken war und die Werte unter eins lagen.

Obwohl es Experten gibt, die die Gefährlichkeit des Virus mit einer starken Grippe vergleichen. Wir müssen uns fragen: Was macht dies alles mit uns, mit der Gesellschaft? Warum darf eine breite gesellschaftliche Diskussion, die auch kritische Stimmen einschließt, nicht stattfinden? Welches Demokratieverständnis vermitteln wir gerade der jungen Generation – unserer Zukunft? Sind wir glaubhaft, wenn wir andererseits vermeidbare Todesfälle, wie beispielsweise 44 900 pro Jahr in Deutschland durch die Folgen der Luftverschmutzung, 3059 Verkehrstote pro Jahr et cetera, als „gegeben“ akzeptieren?

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