Leserbriefe

Ausnahmen zerstören die Regel

Heinrich Freer, NT-Zizishausen. Zum Artikel „Mindestlohn erst ab 25 Jahren“ vom 18. März. Die amtierende Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) ruft zu weiteren Ausnahmen beim Mindestlohn auf. Unter anderem sollen auch Auszubildende unter 18 Jahren keinen gesetzlichen Mindestlohn erhalten. Welche Gründe hat die Frau der SPD-Linken eigentlich dafür? „Wir müssen verhindern, dass junge Menschen einen besser bezahlten Aushilfsjob annehmen, statt eine Ausbildung anzufangen.“

Übersetzt: Ihr kriegt doch eine Ausbildung, warum sollt ihr denn von eurem Geld dann leben können? Wer sich ein wenig Mühe gibt und Google benutzt, der findet sogar einen Presseartikel auf der Homepage der Arbeitsministerin vom Februar 2013 bei den oberen Suchergebnissen mit ganz anderen Tönen: „Mindestlohn ist eine Frage der Würde“.

Junge Menschen und Würdelosigkeit zu vereinbaren und dabei im Ergebnis der Gleichung noch ein echtes soziales Gewissen zu entdecken, das fällt sicher nicht wenigen jungen Menschen schwer. Alleine in Nürtingen (Stadt) sind laut dem Statistischen Landesamt 900 Auszubildende unterwegs, im Landkreis sind es fast 9000 Auszubildende.

Die Große Koalition scheint aber auch vielen anderen Bereichen, Berufen und Beschäftigungsformen die menschliche Würde abzusprechen: Scheinselbstständigen, Zeitungszustellern, Rentnern und anderen Werktätigen wird das Recht auf würdevolles Leben (Artikel 1, Absatz 1 Grundgesetz) abgesprochen. Das ist verfassungswidrig.

Der Mindestlohn wird als Idee pervertiert und so lange verwandelt, bis von dessen Grundidee nichts mehr übrig bleibt. Dabei schreckt die Bundesregierung nicht zurück, verfassungswidrige Gesetze zu beschließen und jungen Menschen die Grundlage für eine geregelte, materiell abgesicherte Ausbildung zu nehmen.

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