Leserbriefe

Ein Schelm, wer Böses dabei denkt

Hans Thaler, Aichtal-Grötzingen. Zum Artikel „Mit offenen Briefen gegen Fluglärm“ vom 16. Oktober.

Die Fluglärmkommission hat Lufthansa und Eurowings beauftragt, neue Routen zu finden, die durchweg Orte entlasten sollen, deren Vertreter eben auch in diesem Gremium sitzen und schließlich auch darüber abstimmen, ob und wie die Belastung wegverlagert werden soll. Ein Schelm, wer dabei Böses denkt. Fluglärm wird sich nicht „gerecht“ verteilen lassen – was aber die neue Routenplanung vorsieht, führt zu einer weitaus breiteren Streuung der Belastung. Die bisher hauptsächlich überflogenen Gebiete werden durch das neue Konzept minimal entlastet. Der sogenannte Dauerschallpegel sinkt um nur ein dB – so die Expertise, die am 5. Oktober 2021 dem Gemeinderat in Nürtingen öffentlich vorgestellt wurde.

Während Regionen wie Nürtingen, Aichtal, Wolfschlugen, Hardt und andere extrem neu belastet werden (Dauerschallpegel steigt um zehn bis zwölf dB). Lufthansa, Eurowings und die Bürgermeister der heute überflogenen Gebiete sagen, dass 90 000 Menschen vom Fluglärm entlastet würden. Sie lassen dabei weg, dass von der neuen Route in etwa genauso viele Menschen neu betroffen sind. Schlimmer noch, da die tatsächliche Entlastung ja nur gering ist, werden insgesamt viel mehr Menschen belastet.

Es gehört zur Wahrheit, dass Menschen, die in den letzten 30 Jahren nach Denkendorf, Deizisau, Nellingen oder Ostfildern, dessen Bürgermeister Bolay der Kommission vorsitzt und das Projekt vorantreibt, gezogen sind sehr genau wussten, dass sie sich dem Fluglärm aussetzen. Andererseits konnten Menschen, die nach Nürtingen, Aichtal, Wolfschlugen oder Hardt zogen, darauf bauen, durch Fluglärm zumeist unbelastet leben zu können. Mit der neuen Route würden deren Ruhe und Gesundheit signifikant gestört und darüber hinaus stürzen die Werte ihrer Immobilien ab.

Pikantes Detail: Die geplante enge Abflugkurve („Hoffmannkurve“) ist schon in Berlin und Frankfurt erprobt worden, sie heißt im internen Jargon auch „Kotzkurve“, die meisten Fluggesellschaften lehnen diese ab. Es wirft kein gutes Licht auf die Projektbeteiligten der neuen Route, dass seit circa vier Jahren geplant wird, erst im August 2021 die betroffenen Gemeinden informiert wurden und die Fluglärmkommission am 2. November 2021 entscheiden soll. Ein Schelm, wer dabei Böses denkt. An der öffentlichen Präsentation und Diskussion in Aichtal am 6. Oktober 2021 haben alle ursprünglich angemeldeten Vertreter – Lärmschutzbeauftragter Flughafen Stuttgart, Deutsche Flugsicherung, Lufthansa, Eurowings und Fluglärmkommission – ihre Teilnahme kurzfristig abgesagt. Gibt es demnach keine guten und schon gar nicht öffentlich vertretbaren Gründe für die neue Flugroutenplanung?

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