Weihnachtsgrüße

Reste der Festtafel gibt’s am Pool

Bei Anna Richter in Argentinien sind viele deutsche Traditionen bei Hitze wenig verlockend

Anna Richter lebt mit ihrem argentinischen Mann Hernán Bouvier in Cordóba. 2019 kam Sohn Anton auf die Welt.

Weihnachten in Argentinien ist für uns Deutsche kaum wiederzuerkennen. Es gibt keine Spur von adventlichen Plätzchenkrümeln, Tannenduft oder Kerzenschein. Stattdessen riecht es nach Sonnencreme und Grillfleisch, in den meisten Gärten hört man Wasserplanschen und statt nach Zimtsternen sehnt man sich nach eisgekühlten Getränken. Hier ist nämlich Sommer, und der will gefeiert werden. In den Schulen und Universitäten haben die Sommerferien gerade begonnen und auch die arbeitende Bevölkerung wartet sehnsüchtig auf den Jahresurlaub im Januar.

Bei diesen sommerlichen Temperaturen sind die meisten deutschen Adventstraditionen wenig verlockend. Weihnachtsmärkte sind hier ebenso unbekannt wie Adventskalender oder das Basteln von Fenstersternen. Statt Glühwein gibt es hier Schaumwein und Apfelcider und auch auf Plätzchenbacken hat bei über 30 Grad niemand Lust.

Mir schmecken die Lebkuchen, die mir meine Familie aus Deutschland schickt, aber auch im Hochsommer. Man muss sie nur gut kühlen, damit die Schokolade nicht schmilzt. Aber auch hier werden unter großer Heimlichkeit Geschenke besorgt, es wird gewichtelt und unsere Nachbarin schmückt ihren Vorgarten mit Lichterketten. Statt einer Tanne oder Fichte als Christbaum haben viele Familien eine praktische Version aus Plastik, die bei den hohen Temperaturen nicht vertrocknet und immer wieder verwendet werden kann. Wir schmücken einfach einen heimischen Espinillo-Baum in unserem Garten oder einen schönen Zweig im Wohnzimmer. Das Weihnachtsfest wird auch in Argentinien am 24. Dezember gefeiert. Die ganze Familie kommt zusammen, manchmal schon nachmittags, auf jeden Fall aber zum Abendessen. Alle bringen etwas zu essen und zu trinken für das Buffet mit und jede Familie hat ihre eigenen traditionellen Gerichte, die nicht fehlen dürfen. Bei uns sind es Vitello Tonnato und eine Pfannkuchentorte mit Schinken, Käse, Salat und Mayonnaise. Beliebt sind auch kalte Hühnerrouladen und Geflügelsalat. Meistens wird aber trotzdem noch der von allen Argentinierinnen und Argentiniern heißgeliebte Grill angeworfen, denn ein „asado“, also gegrilltes (Rind-)Fleisch passt immer. Nach dem Abendessen setzt das Warten auf den Weihnachtsmann ein, der kommt nämlich erst um Mitternacht. Seit ein paar Jahren verkürzen wir die Wartezeit mit dem Dekorieren von Pfefferkuchenhäusern. Meine argentinischen Nichten und Neffen freuen sich über die Fülle an Süßigkeiten, die zum Großteil direkt in ihren Mägen landen, und mir bringt es viele schöne Erinnerungen an meine Großeltern und die Weihnachtszeit in Deutschland.

Nach dem Verteilen der Geschenke brechen die Jüngeren oft auf, um mit Freundinnen und Freunden weiterzufeiern. Und am 25. Dezember trifft sich die Familie meist wieder, um mittags am Pool die Reste der Festtafel aufzuessen. Dieses Jahr ist wahrscheinlich alles ganz anders. Deswegen wünsche ich uns allen ein besonders schönes Weihnachtsfest, egal wo, wie und mit wem wir feiern.

Anna Richter

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