Weihnachtsgrüße

Festessen mit Garnelen, Paella und „Braaibrootjies“

Lena Gronbach schickt Weihnachtsgrüße aus Kapstadt – Seit sechs Jahren ist Südafrika ihre neue Heimat – An ihr erstes Weihnachtsfest denkt sie gerne zurück

Lena Gronbach vor dem Wahrzeichen ihrer neuen Heimat

Weihnachten im Sommer? Wie soll das denn gehen!? Das war in etwa meine Reaktion, als ich 2012 während meines Auslandssemesters zum ersten Mal die Adventszeit und das Weihnachtsfest in Südafrika verbringen sollte. Im Vorjahr war ich zum ersten Mal für ein Praktikum mit der Schüleraustauschorganisation Youth for Understanding (YFU) nach Südafrika gekommen und hatte mich sofort in das Land, die Menschen und die Kultur verliebt. Dank einer Kooperation zwischen der ESB Business School und der Nelson Mandela University in Port Elizabeth konnte ich mein Auslandsstudiensemester ein Jahr später ebenfalls in Südafrika verbringen. Wie so viele andere „Expats“ ließ mich Südafrika nicht mehr los und ich lebe inzwischen seit über sechs Jahren hier.

Nach einigen Jahren in Pretoria, wo ich an der University of Pretoria mein Masterstudium absolvierte und nebenbei für YFU arbeitete, wohne ich nun seit Anfang 2019 in Kapstadt. Hier promoviere ich an der University of Cape Town, bin immer noch für YFU aktiv und habe außerdem die Stipendienplattform „Africademics“ gegründet, wovon die Nürtinger Zeitung am 17. November berichtete.

Africademics unterstützt Studieninteressierte, Studierende und Nachwuchswissenschaftler aus afrikanischen Ländern bei der Stipendiensuche, um ihnen so das Hochschulstudium zu ermöglichen. Was Mitte 2019 als kleine Facebook-Seite begann, hat sich inzwischen zu einer Online-Plattform mit über 17 000 Followern entwickelt. Africademics ist außerdem über ein Botschafterprogramm an 20 Hochschulen in zehn afrikanischen Ländern vertreten. Das Projekt erhielt vor Kurzem den Engagementpreis der Studienstiftung des deutschen Volkes und wurde als eines von 100 sozialen Projekten in das „startsocial“-Programme, welches unter der Schirmherrschaft von Bundeskanzlerin Angela Merkel steht, aufgenommen.

Obwohl Südafrika inzwischen mein Zuhause ist, hat es mich zur Weihnachtszeit doch oft in die „alte“ Heimat in Nürtingen gezogen. Weihnachten bedeutete für mich die Adventszeit mit geschmückten Straßen, der Weihnachtsmarkt, der Geruch nach Tannenzweigen, Glühwein und natürlich Zeit mit der Familie. Inzwischen gibt es zwar in fast jedem südafrikanischen Supermarkt Weihnachtsplätzchen, Stollen, Lebkuchen und sogar Glühwein (oft aus Deutschland importiert und noch mit deutschem Etikett) – aber bei über 30 Grad, Sonnenschein und Strandwetter kommt eher keine gemütliche Weihnachtsstimmung auf. Zumindest nicht so, wie man es aus Deutschland gewohnt ist. Das heißt allerdings nicht, dass die Südafrikaner Weihnachten und die Vorweihnachtszeit nicht gebührend feiern – ganz im Gegenteil! Von Mitte Dezember bis Anfang Januar kommt das Land praktisch zum Stillstand: Unternehmen schließen, die Mitarbeiter sind „out of office“ und jeder Südafrikaner, der etwas auf sich hält, fährt entweder nach Hause zur Familie oder ans Meer. Wer über die „Festive Season“ sein Auto repariert, sein Dach gedeckt oder seine neue Internetverbindung installiert haben möchte, muss dann eben warten. Da allerdings das ganze Land in Urlaubsstimmung ist, stört sich auch kaum jemand daran.

Besonders während der Weihnachtsfeiertage füllen sich die sonst recht leeren Strände mit Menschen und auf jedem Parkplatz oder selbst am Straßenrand wird gegrillt. Grillen ist ohnehin eine der Lieblingsbeschäftigungen der Südafrikaner, der sie zu jeder Jahreszeit, bei jedem Wetter und zu jedem Anlass nachgehen. Und statt wie in Deutschland ein paar Würstchen und vielleicht ein Steak zu grillen, gibt es hier meist genug für eine Großfamilie – auch wenn nur drei Personen am „Braai“ (südafrikanisch für Grillfest) teilnehmen. Und überhaupt: das Essen! Wenn ich mich an mein erstes Weihnachtsfest in Südafrika erinnere, sehe ich immer noch den großen Tisch vor mir, auf dem sich die gesammelten Leckereien des Weihnachts-Festessens türmten. Ich war von einem guten Freund zu dessen alljährlichem Weihnachtsessen eingeladen worden, zu dem jeder Gast etwas Selbstgekochtes oder -gebackenes mitbrachte. Neben Rostbraten, gegrillten Garnelen, Meeresfrüchte-Paella, selbstgebackenem Brot, den berühmten „Braaibrootjies“ (auf dem Grill gebackene Brötchen mit Tomate, Zwiebeln und Käse) sowie verschiedenen Salaten und Aufläufen gab es frische Wassermelonenbowle und natürlich Nachtische und Snacks so weit das Auge reichte. Selbstverständlich wurde nicht alles auf einmal verspeist, sondern man verbrachte den ganzen Tag im Garten, sonnte sich, aß, trank, unterhielt sich, sprang immer mal wieder in den Pool und spielte mit den Kindern und Hunden, die viele der Gäste mitgebracht hatten. Natürlich durften auch der Weihnachtsbaum und die Geschenke nicht fehlen! Jeder Gast hatte schön dekorierte Päckchen mitgebracht, die allesamt unter dem festlich geschmückten Baum im Garten „aufgebaut“ wurden. Diese wurden dann von „Father Christmas“ (dem Gastgeber mit Bart und in voller Weihnachtsmann-Montur) verteilt, geöffnet und bestaunt. Weihnachtslieder, Schnee und Ausstecherle gab es zwar nicht, aber mein erstes Weihnachten im Sommer war trotzdem (oder vielleicht gerade deswegen) eine wunderschöne Erfahrung. Nachdem ich die Festtage letztes Jahr mit meiner Familie in Nürtingen verbringen durfte, werde ich Weihnachten nun zum ersten Mal in meiner neuen Heimat Kapstadt feiern. Natürlich wird auch hier aufgrund von Corona einiges anders sein als gewohnt, obwohl es derzeit recht niedrige Fallzahlen und wenige Einschränkungen gibt. Da die Grenzen erst vor einigen Wochen für den internationalen Tourismus geöffnet wurden, fühlt sich Kapstadt aber immer noch ein wenig wie eine „Geisterstadt“ an. Man sieht weder volle Restaurants noch Touristen mit Rucksäcken und Stadtplänen, dichtes Verkehrsgetümmel Richtung Strand am Wochenende oder die vielen Konzerte und Veranstaltungen, die sonst zum Sommeranfang stattfinden.

Auch in Südafrika liegen Geschenke unter dem Weihnachtsbaum.

Andererseits ist es aber auch schön, die Stadt zur Abwechslung mal für sich zu haben. Und zum Ferienbeginn werden in diesem Jahr auch viele Touristen aus anderen Teilen Südafrikas erwartet.

Ich werde die Feiertage wohl ganz entspannt mit meinem Hund und ein paar guten Freunden verbringen, die Ruhe und den Sonnenschein genießen und die vielen Cafés und Restaurants in der Nachbarschaft als Stammkundin unterstützen. Und dank Zoom, Skype und WhatsApp sind ja zum Glück auch Familie und Freunde in der Heimat nur ein paar Klicks entfernt.

In diesem Sinne, frohe Weihnachten, Merry Christmas, Geseënde Kersfees und Krismesi Emnandi!

Lena Gronbach

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