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Bezaubernder Hesse-Abend
NÜRTINGEN. Die Gäste in der Buchhandlung Im Roten Haus erlebten am vergangenen Dienstag eine Premiere: Blanche Kommerell präsentierte ihr neues Hesse-Programm und wie schon bei ihrem ersten Besuch im letzten Jahr begeisterte sie ihre Zuhörer mit einem gelungenen Vortrag. Kommerell hatte die Textpassagen so zusammengestellt, dass die großen Themen in Hesses Leben zum Ausdruck kamen: das Wandern und Suchen, die Liebe zur Natur und auch zur Liebe selbst, die Verwandlungen und das Zurückkommen zur Erdmutter. Die Kunst war für Hesse eine Möglichkeit, die Gegensätze im eigenen Inneren zu versöhnen, ein Weg, die eigene Persönlichkeit in alle Verästelungen hinein zu entfalten, dabei aber nicht in die Peripherie zu streben, sondern ins Zentrum, dorthin, wo ein jeder Mensch seine innere Stimme hat. Diese Stimme vernehmbar zu machen ist die Aufgabe des Künstlers. Kommerell spürte dieser Stimme Hesses nach, in vielen Gedichte, in Tagebuchnotizen, Briefen, in den Märchen „Iris“ und „Piktors Verwandlung“. Hierbei zeichnete sie auch den biographischen Lebensweg des Ruhelosen nach, der die Heimat im Inneren beschwörte, sie aber auch draußen, an einem konkreten Ort suchte. Hesse hatte das Glück, diesen Flecken Erde in der Schweiz zu finden, an dem er mit seiner dritten Ehefrau schließlich zur Ruhe kommen und sich mit seinem Leben aussöhnen konnte. Blanche Kommerell, selbst Dichterin, Schauspielerin, Germanistin und Lehrerin, durchfühlt und durchdenkt vor einer Lesung jeden Satz. Diese Empathie übertrug sich auf die Zuhörer und mit ihr die Magie der Dichtung. Der Vortrag macht große Lust, sich wieder einmal neu mit der Poesie Hesses zu beschäftigen, denn durch eigene Wandlungen verändert sich auch das Wahrgenommene. Petra Lohrmann