Nürtingen
Keine Zehntäcker
(heb) Wem das „Ländle“ oder der „Südweststaat“ nicht reichen, wenn es gilt Synonyma für Baden-Württemberg zu finden, der könnte theoretisch ein viel älteres Wort für ein Gutteil des 1952 gegründeten drittgrößten Bundeslandes der Bundesrepublik Deutschland entleihen. Denn unter den Römern hieß das Gebiet links von Donau und Limes „agri decumates“, was nach Ansicht mancher Etymologen unmöglich als „Zehntland“ übersetzt werden kann. Macht aber nix: „Dekumatland“ klingt viel schöner und Abgaben dürften die Bewohner auch bezahlt haben müssen, obwohl das Wohnen und Wirtschaften in diesem ständig durch Germaneneinfälle bedrohten Landstrich nicht ganz ungefährlich war. Nicht von ungefähr spricht Tacitus in seinem Buch „Germania“ von den „abenteuerlustigsten Galliern, die die Not kühn gemacht hat“ und die „den Boden, dessen Besitz umstritten war, besetzt haben“. Sehr dicht besiedelt kann es allerdings nicht gewesen sein, denn erstens waren mutige Menschen zu allen Zeiten eher selten und zweitens sind nur wenige Siedlungen aktenkundig, wie etwa „Arae Flaviae“, das heutige Rottweil.

Seit der Regierungszeit Kaiser Domitians in den letzten Jahrzehnten des ersten nachchristlichen Jahrhunderts betrachtete Rom das herrenlose Land als Teil seiner Provinz „Germania Superior“, und wer den Schritt gewagt hatte, sich auf dem Gebiet der Schwäbischen Alb oder im Neckartal niederzulassen, dürfte es, sofern er nicht von den Germanen gelegentlich bei einem ihrer Überfälle massakriert wurde, nicht bereut haben. Schließlich brachten die Besatzungstruppen nicht nur einen gewissen Schutz in die Agri Decumates, sondern auch jede Menge Bedürfnisse und – vor allem – Geld. Als die Römer dann zu Beginn der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts schrittweise begannen sich hinter den Rhein zurückzuziehen, nahmen ab 259 die Alamannen die Gegend hier in Besitz, woran sich im Wesentlichen bis heute nichts geändert hat.