Nürtingen
Briefmarke auf Rückzug
Briefmarke auf Rückzug

Sie scheinen ein für allemal vorbei, die Zeiten, als die kleinen, meist viereckigen Dinger mit dem gezackten Rand auf viele Jugendliche einen fast unwiderstehlichen Reiz ausübten, dass sie von jedem eben angekommenen Brief, jeder Postkarte und vielen Päckchen und Paketen, sofort sorgfältigst abgelöst werden mussten, um danach in einem der dafür vorgesehenen Einsteck- oder Klebe-Alben den ihnen gemäßen Platz zugewiesen zu bekommen. Wenn man eine der Briefmarken (denn um nichts anders handelt es sich hier) dann doppelt hatte, machte das auch nichts, denn schon hatte man ein potentielles Tauschobjekt und damit einen Grund, sich mit gleichgesinnten Freunden zum Briefmarken tauschen zu treffen. Abends, beim zu Bett gehen, schon im Halbschlaf, erschien einem die berühmte blaue Mauritius, der heilige Gral der Philatelisten (so nennt der Wissenschaftler Briefmarkensammler). Oder war es wenigstens die englische One-Penny, an schlechten Tagen die erste deutsche Briefmarke, 1849 für einen Kreuzer am Schalter zu haben. Heute ein Vermögen wert. Darauf war man scharf. Und heute? Werden Briefmarken immer billiger, weil der Sammlernachwuchs fehlt. Und tatsächlich: Erkundigt man sich beim zuständigen Verband, der Deutschen Philatelisten-Jugend, so erfährt man, dass dort bundesweit ganze 7000 Briefmarkensammler zwischen acht und 27 organisiert sind und zwar in rund 500 Jugendgruppen lokaler Vereine. Zum Vergleich: Mehr als 2,1 Millionen Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre spielen organisiert Fußball. Auch daran sind die 68er schuld. Mit der Aufforderung: Komm mit, ich zeig dir meine Briefmarkensammlung!, an wen auch immer gerichtet, erntet ein verliebter Junge doch bestenfalls noch Klassenkeile. heb