Nürtingen
Am Wahl-o-mat

(heb) Wenn morgen die Weltherrschaft zu vergeben wäre, wie müsste derjenige beschaffen sein, dem die Stimmen der rund sechs Milliarden Wähler dann zufielen? Dafür stellte das Internet jüngst eine nicht ganz ernst gemeinte Art „Wahl-o-mat“ zu Verfügung. Drei Kandidaten standen zur Verfügung, die auf einer Grafik als nebeneinander stehende Frontsilhouetten dargestellt waren – jede mit einem Fragezeichen versehen und einer darunter stehenden Kurzbiographie. Danach hatte Kandidat eins Kontakte zu unehrlichen Politikern, holte Rat bei Astrologen, rauchte Kette, trank Martinis und pflegte außereheliche Beziehungen. Nummer zwei sei zweimal aus dem Amt geflogen, verlasse das Bett erst um die Mittagszeit, saufe Whisky wie Wasser und machte als Student Erfahrungen mit Drogen. Kandidat drei dagegen kam als dekorierter Held aus dem Weltkrieg zurück, rauche und trinke nicht, lebe vegetarisch und „hat seine Frau noch nie betrogen“. Die Stimme des Teilnehmers ist die entscheidende, auf ihn allein kommt es an: „Wen würden Sie wählen?“ Hat man sich nicht immer, schon bei der Auswahl dessen, mit dem man gehen will, mit dem Argument über dessen äußerliche Mängel hinweggeholfen: „Das Aussehen ist doch egal. Allein auf den Charakter kommt es an!“? Ja, und so scheint es nun endlich auch bei einer entscheidenden politischen Wahl nur um den Charakter zu gehen. Die Gesichter der Kandidaten sind geschwärzt, die Biografien scheinen ungeschönt und ehrlich. Und man überlässt die Wahl, wer sein Geschick bestimmen soll, dem Bürger höchstselbst. Verwirklichte Demokratie also, und für wirklich alle? Warten wir’s ab. Auf der nächsten Seite nämlich, nachdem man den Button seiner Wahl gedrückt hat, fallen die Masken. Hinter Kandidat eins verbarg sich kein Geringerer als Franklin Delano Roosevelt, der länger als jeder andere Präsident der Vereinigten Staaten gewesen war, Nummer zwei heißt eigentlich Winston Churchill. Und Kandidat drei? Nun, zuerst gibt die Kapuze ein zweifingerbreites Oberlippenbärtchenbärtchen frei, dann zwei unter zusammengezogenen Brauen blutgierig hervorstechende Augen frei, ein stramm rechts liegender Scheitel ergänzt das Hitlerbild. Dessen Bilanz? Leichenberge in KZs und auf Schlachtfeldern. Noch Fragen?