Weihnachtsgrüße

Wenn die Heiligen Drei Könige in Orangensaft baden

Hannah Müller ist als Au-pair im Westen Frankreiches in Nantes mit drei sehr quirligen Kleinkindern beschäftigt

Die Zwillinge Anne und Corentin sowie deren großer Bruder Gwenael halten Hannah Müller auf Trab.

Weil ich mir mit meiner Studien- beziehungsweise Berufswahl noch nicht sicher war, entschloss ich mich, eine kleine Pause einzulegen und so bin ich letztendlich als Au-pair in Nantes im Westen von Frankreich gelandet. Die Kinder halten mich hier ordentlich auf Trab. Es plärrt immer von irgendwoher und wenn doch tatsächlich einmal Ruhe ist, ist dies so verdächtig, da kann irgendetwas nicht stimmen . . . Und ja, sogleich stellt sich heraus, dass die Zwillinge, Anne und Corentin (zwei Jahre), gerade ihre Ohrenstöpsel essen, in schwindelerregenden Höhen nach Süßigkeiten angeln oder das Lieblingsbuch ihres großen Bruders Gwenael (vier Jahre) in kleine Stücke zerreißen. Die Fahrt mit dem TGV nach Nantes verlief so weit auch ganz gut, nur hatte ich Koffer und Rucksack dabei, die einmal quer durch Paris manövriert werden mussten. Wenn der Koffer aber so schwer ist, dass man ihn nicht einmal tragen kann, gestaltet sich das sehr schwierig. Schweißgebadet bin ich letztendlich dann am Gare de Montparnasse angekommen. Am Bahnhof in Nantes hat mich mein Gastvater empfangen. Am Abend habe ich dann auch die Kinder kennengelernt. Ich war wirklich überrascht, wie aufgeschlossen sie waren. Sobald sie zur Tür hereinkamen, umarmten sie mich. In meinem Zimmer bei der Gastfamilie fühle ich mich wirklich wohl und sogar ein Waschbecken darf ich mein Eigen nennen. Wenn ich hier mit dem Zwillingskinderwagen umherspaziere, halten die Leute grundsätzlich an und fragen, wie die beiden denn heißen und wie alt sie sind. Auch Autos stoppen dann und wann mitten auf der Straße und bestellen mir die besten Glückwünsche zu meinen gelungenen Zwillingen. Dieser Kinderwagen ist allerdings nichts für schwache Menschen. Ich scheitere an so manchem Bordstein und muss mitten auf der Straße laufen, weil er einfach nicht auf die Gehwege passt. Aber alle Passanten machen mir sofort Platz, sobald sie mich erspähen und haben immer Verständnis, wenn ich sie aus Versehen ramme. Mit den Verkehrsregeln ist es hier auch so eine Sache. Man überquert einfach die Straße, wenn dies gerade vonnöten ist und auch Fußgänger, die den Kreisverkehr (Kreisverkehre sind sehr beliebt in Frankreich) mitbenutzen, sind hier keine Seltenheit. In den ersten vier Wochen war ich mit der Familie und den Großeltern im Urlaub. Wir alle zusammen sind nach Pornic gereist, das ungefähr 50 Kilometer von Nantes entfernt ist und am Meer liegt. Nachdem wir wieder nach Nantes zurückgekehrt waren, kehrte für mich der Alltag ein: Nachdem ich die Kinder angezogen habe, frühstückt die ganze Familie zusammen und dann müssen wir auch schon los. Also werden die Kinder ins Auto verfrachtet und ich flitze schnell zur Schule, um dort im praktischen Parkverbot vor der Schule das Auto abzustellen. Wenn die Kinder dann gegen halb elf in der Kinderkrippe beziehungsweise in der Schule sind, habe ich erst einmal etwas Zeit für mich. Oft unternehme ich etwas mit meinen beiden Freundinnen Sarah und Viki, die ebenfalls Au-pair sind. Wir machen beispielsweise einen Spaziergang, gehen gemütlich einen Kaffee trinken oder schauen eine DVD an. An manchen Tagen muss ich mich aber auch um den Haushalt kümmern, was natürlich genauso zu meinen Pflichten als Au-pair gehört. Was im Klartext heißt, ich bügle, wische den Boden oder räume die Spielsachen der Kinder auf. Nach einem entspannten Mittag hole ich die Kinder wieder ab und dann geht daheim wirklich die Post ab. Nachdem die Kinder etwas gespielt haben, können wir auch schon zum obligatorischen „Pluff dans l’eau“ (Baden) übergehen. Anschließend essen wir gemeinsam und dann kommen schon die Eltern von der Arbeit. Zusammen bringen wir die Kinder ins Bett und mein Arbeitstag ist zu Ende. Uff! Donnerstags und samstags habe ich Schule. Dort sind quasi nur Au-pairs. Hier habe ich auch Viki und Sarah kennengelernt, die beide deutsch sind. Aber auch Freundinnen aus Guatemala, Mexiko oder Kolumbien habe ich gefunden. Natürlich ist es nicht einfach, bei alle dem Chaos Weihnachtsstimmung aufkommen zu lassen, zu mal es hier immer nur regnet und dazu alles grau ist. Doch wenn ich dann die Kinder morgens in die Kinderkrippe bringe und wir dabei am Schaufenster der Bäckerei vorbeilaufen, merkt man doch, dass Weihnachten nicht mehr allzu fern sein kann. Denn in diesem bewegen sich Millionen von Lichtern, kleine Männchen laufen Schlittschuh, der Père Noël liegt in seiner Hängematte, um sich vor dem großen Tag noch etwas auszuruhen, alle Miniaturhäuschen sind von Innen beleuchtet und natürlich darf auch eine kleine Eisenbahn, mit vielen Geschenken beladen, ihre Runde im Schaufenster drehen. Die Kinder bleiben jedes Mal wie angewurzelt stehen und ich habe Mühe, sie loszureißen von diesem Anblick. Auch hat meine Gastmama versucht, durch eine kleine Krippe, den Kindern die Weihnachtsgeschichte näherzubringen. Leider fehlt dem kleinen Jesuskind mittlerweile aber der Kopf, der ist unter das Sofa gerollt, die Heiligen Drei Könige durften in Orangensaft baden und Ochs und Esel sind spurlos verschwunden . . . Doch trotz all dem Chaos, das hier jeden Tag herrscht, fühle ich mich in der Familie hier unglaublich wohl und die Kinder sind mir so sehr ans Herz gewachsen. Vor dem Abschied in circa einem halben Jahr graut mir es schon sehr. Um mir meine Zeit hier etwas zu versüßen, haben mir sowohl meine beste Freundin als auch meine Familie einen Adventskalender geschickt. Damit geht die Zeit, bis ich nach Hause komme, natürlich noch einmal schneller um. Denn über Weihnachten reise ich nach Deutschland, um mit meiner Familie unser deutsches Weihnachtsfest zu feiern. Ich wünsche euch allen ein wunderschönes Fest!

Eure Hannah Müller

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