Weihnachtsgrüße
Nur der schwarze Kuchen übersteht die Adventszeit
Julia Eberspach feiert südamerikanisch-deutsche Weihnachten mit dem kolumbianischen Teil der Familie
Nachdem es mich schon zum Studium relativ weit weg von der Heimat, nach Greifswald an die Ostsee, gezogen hat, ging es für die Bachelorarbeit noch ein wenig weiter weg: sieben Monate Kolumbien! Für Leute, die mich etwas näher kennen, ist das nicht allzu überraschend, denn meine Mutter ist hier geboren und aufgewachsen. Hier habe ich nun die wunderbare Möglichkeit, meine Bachelorarbeit über Kolibris zu machen und gleichzeitig eine Zeit lang mit dem Teil meiner Familie zu leben, der sonst so weit weg ist und den ich nur alle paar Jahre sehe. Mit von der Partie ist außerdem Corinna, eine sehr gute Freundin aus dem FÖJ, dem freiwilligen ökologischen Jahr, und dem Studium.
Da ich hier bei meiner Tante, ihrer Familie und meiner Großmutter lebe (insgesamt sind wir hier zu acht), ist die Vorweihnachtszeit ein bunter Mischmasch aus deutschen und kolumbianischen Traditionen. So bäckt meine Großmutter schon seit Wochen fleißig Plätzchen, die an Familie, Freunde und Bekannte verteilt werden und äußerst gut ankommen, vor allem weil hier wenig selbst gebacken wird.
Außerdem gibt es jedes Adventswochenende einen Christstollen, da man ihn ja wegen des feuchten und warmen Klimas nicht so lange lagern kann wie bei uns in Deutschland üblich. Aber ehrlich gesagt wird dem Stollen auch gar keine Möglichkeit gelassen, zu verderben. Nur eine Sache schafft es, bis Weihnachten unangetastet zu bleiben, wenn auch mit viel Widerspruch: der Ponque Negro (schwarzer Kuchen), ein typisch kolumbianischer Kuchen, der zu vielen Festen gegessen wird. Dafür werden schon mindestens einen Monat vorher verschiedene Trockenfrüchte in Rum eingelegt und der Kuchen später zwei Wochen lang jeden Tag mit Rum begossen. Natürlich muss erst überprüft werden, ob der Rum auch noch gut ist!
Die Weihnachts-Dekoration an den Häusern und in der Stadt ist oft amerikanisch geprägt mit Schneemännern, Weihnachtsmännern und Rentieren. Dazu kommt immer eine ordentliche Portion an bunten Lichterketten, die in allen möglichen (und möglichst grellen) Farben mit verschiedenen Rhythmen durch die Nacht blinken. Modefarbe dieses Jahr: Neonblau.
Generell gilt: je mehr, desto besser! Dazu schallen einem in den Einkaufszentren Villancicos (sprich: Vijansikos) entgegen, fröhliche spanische Weihnachtslieder.
Bei den Weihnachtsbäumen greift man mangels Nadelbäumen zu Plastiktannen (es gibt aber auch Plastikpalmen!). Oft kann man aber auch die Plastiknadeln unter all den bunten Bändern, Schleifen und Kugeln nur noch erahnen. In meiner Familie gibt es aber tatsächlich einen echten Baum in Form eines riesigen, bis unter die fünf Meter hohe Wohnzimmerdecke reichenden Zypressenzweigs.
Von ruhiger, besinnlicher Weihnacht im europäischen Sinne kann also nicht die Rede sein. Aber wer denkt bei 25 Grad und Sonnenschein schon an dampfende Teetassen, Teelichter, schwere, getragene Weihnachtslieder oder Glühwein-Trinken auf dem Weihnachtsmarkt? Dennoch ist es ziemlich merkwürdig, wenn so gar keine Weihnachtsstimmung aufkommen mag. Als würde einem jemand Mitte August verklickern wollen, dass nächste Woche Weihnachten ist!
Es wird also ein ganz besonderes Weihnachtsfest für mich, nicht nur wegen der neuen Bräuche und der sommerlichen Temperaturen, sondern auch weil es das erste Fest sein wird, das ich nicht zu Hause bei meinen Eltern, aber trotzdem bei meiner Familie feiern werde. Ich freue mich schon sehr darauf!
Ich wünsche allen, die über meinen Beitrag hier gestolpert sind, vor allem natürlich meiner Familie und meinen Freunden fröhliche Weihnachten, entspannte Feiertage und ein gesundes, erfolgreiches und glückliches neues Jahr!
¡Feliz Navidad y un Próspero Año Nuevo!
Julia Eberspach