Weihnachtsgrüße

Der Kitsch hat doch auch etwas Schönes

Für Leonie Schulze begann die Weihnachtszeit mit meterhohem Schnee in einer Hütte in den Bergen

Leonie Schulze freut sich über die besondere Atmosphäre in den USA, die einfach mal eine Abwechslung zu Deutschland ist.

Gerade war hier in Eugene/Oregon Halloween vorbei, da wollten meine Mitbewohnerinnen schon die Weihnachtsdekoration aus dem Schrank ziehen. Wir einigten uns darauf, dass sie wenigstens bis nach Thanksgiving am 26. November warten würden. Das hat dann natürlich doch nicht so ganz geklappt. Zu groß war die Vorfreude auf Weihnachten schon Mitte November und ich fand eines Tages, als ich von der Uni nach Hause kam, ein Wohnzimmer vor, das aussah, als wäre die diesjährige Coca-Cola-Weihnachtswerbung bei uns gedreht worden. Thanksgiving habe ich mit meiner amerikanischen Familie in Sunriver in einer Hütte auf 1300 Meter gefeiert. Der Tag danach war der offizielle Startschuss der Weihnachtszeit und zum Frühstück liefen die Klassiker von Sinatra, Presley und Buble. Draußen lag meterhoch Schnee, einen kleinen Weihnachtsmarkt gab es auch und gegen Abend wurde im Dorf feierlich der Weihnachtsbaum erleuchtet. Mittlerweile bin ich dann also doch auch in Weihnachtsstimmung und irgendwie hat der ganze Kitsch doch auch etwas Schönes an sich.

Die Amerikaner haben Weihnachten natürlich noch ein bisschen mehr kommerzialisiert, aber die gesamte Atmosphäre zurzeit, die Dekorationen an den Häusern, die ausladend geschmückten Einkaufszentren, mein Duschgel, das nach Pfefferminzstangen riecht und so weiter sind auf jeden Fall eine tolle Abwechslung zu Glühwein und Lebkuchen auf einem Weihnachtsmarkt in Deutschland.

Und auch die bekannten Streitereien bleiben nicht aus, wenn eine Mutter ein Foto von ihrem Kind auf dem Schoß vom Weihnachtsmann im Einkaufszentrum macht, obwohl die helfenden Elfen, ihres Zeichens arme Studenten, die sich ein bisschen Geld dazuverdienen, ausdrücklich und wiederholt darauf hingewiesen haben, dass die Fotos käuflich erworben werden müssen. Der Weihnachtsmann muss ja schließlich auch über die Runden kommen. Und dann geht auch ein wenig der Stress los, denn ich möchte dann doch einigen lieben Menschen, die Eugene in den letzten Wochen und Monaten zu meinem Zuhause gemacht haben, eine kleine Freunde machen.

Am Nikolaustag hat jede meiner Mitbewohnerinnen eine Kleinigkeit vor ihrer Tür gefunden. Jeden Dienstag trifft sich hier in Eugene außerdem ein deutscher Stammtisch. Deutsche und Schweizer, die vor Jahrzehnten ausgewandert sind, treffen sich dort mit deutschen Austauschstudenten, jungen deutsch-amerikanischen Ehepaaren und Amerikanern, die auf verschiedenste Art Deutsch gelernt haben oder auch solchen, die kein Wort Deutsch sprechen, sondern einfach nur guten importierten Riesling trinken wollen. Auch dort kam bald Weihnachtsstimmung auf. Es wurde einstimmig beschlossen, nicht zu wichteln und auch die anderen Gäste im Restaurant nicht mit deutschen Weihnachtsliedern zu nerven.

Etwas mehr darf es an Dekoration in den USA schon sein.

Aber es ist schon etwas Besonderes, Geschichten von Menschen zu hören, die so lange schon in den Vereinigten Staaten leben. Viele schwelgen in Erinnerungen an Weihnachtsmärkte und Pfeffernüsse, Adventskalender und Nikolaustag. Die Feiertage werde ich bei meiner Familie im Süden Oregons verbringen und dann für einige Tage nach New York City fliegen. Von allem, was ich bisher gehört habe, kann die Metropole an der Ostküste jeden Kitsch, den ich hier im Westen gesehen habe, noch ins Unermessliche toppen. Ich kann es kaum erwarten.

Heute Abend bin ich in Gedanken am Esstisch mit meiner Familie. Ich hoffe, Nina hat das mit dem Baumschmücken auch ohne mich hinbekommen. Fühlt euch alle umarmt und geküsst.

Frohe Weihnachten Leonie Schulze

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