Weihnachtsgrüße

Alles ein bisschen mehr und kitschiger

Hannah Mönch verbringt (nicht nur) die Weihnachtszeit in Cartagena – In Kolumbien wird am 24. Dezember mit der ganzen Familie gegessen – Geschenke gibt es erst nach Mitternacht

Hannah Mönch (ganz links) freut sich, mit ihren Freunden Weihnachten zu feiern.

Nachdem ich 2012/2013 ein Jahr lang meinen „weltwärts“-Freiwilligendienst in Cartagena, Kolumbien, gemacht habe, bin ich nun schon zum zweiten Mal zu Besuch in der Stadt am karibischen Meer. Als ich aus dem Flugzeug aussteige und die schwüle warme Luft einatme, bin ich sehr glücklich wieder hier zu sein. Das Klima, vergleichbar mit dem Tropenhaus der Wilhelma, die hupenden Autos, Motorrad-Taxis ohne Ende, vertraute Gerüche, natürlich meine Freunde hier und noch vieles mehr lassen mich wieder in die Cartagena-Welt eintauchen.

Die wunderschöne koloniale Altstadt (die Spuren der Spanier sind hier deutlich zu erkennen), das Meer, die freundlichen Menschen und das Leben, das sich hauptsächlich vor den Häusern abspielt, genieße ich sehr. Cartagena ist sowohl für Kolumbianer als auch für Reisende aus aller Welt ein beliebter Urlaubsort. Das ist im Dezember und Januar besonders spürbar, da zu dieser Zeit die langen „Sommerferien“ sind und die Altstadt sich mit so vielen Menschen füllt, dass es zu Stoßzeiten tatsächlich schwierig ist, sich fortzubewegen. Das Zentrum füllt sich vor allem auch dann, wenn die großen Kreuzfahrtschiffe hier im Hafen Halt machen, die Stadt für einen kurzen Moment mit Menschen fluten und dann wieder weiter fahren. Die andere Seite von Cartagena durfte ich durch die Arbeit in meinem Projekt „El Refugio“ während meines Freiwilligendienstes kennenlernen. Armenviertel an den Rändern der Stadt, Kinder, die die Schule nicht abschließen können und sich die Zeit stattdessen auf der Straße vertreiben, kaputte Familienverhältnisse, Gewalt in den Barrios (Stadtteilen) und die Unzufriedenheit von Menschen, die sich von der Stadt im Stich gelassen fühlen, die häufig eher das Wohlbefinden der Touristen fördert als die Situation der eigenen Bewohner. Als ich einen Besuch in meinem ehemaligen Projekt mache, erzählen mir die Mitarbeiter, dass sie nun nicht mehr in dem Barrio von damals arbeiten, da die Gewalt zwischen den Banden dort so zugenommen hat, dass sie nicht mehr ins Barrio gehen können.

Trotzdem bin ich glücklich zu sehen, wie die Arbeit dort weiter geht und die Kinder Woche für Woche ein tolles Programm erleben. Es dauert etwas, bis ich mich wieder an die Stadt gewöhnt habe und weiß, wo ich zu Fuß laufen kann, oder das Sparen der Transportkosten besser einstellen sollte. Da vermisse ich doch sehr mein Fahrrad, mit dem ich in Deutschland um einiges flexibler bin. Zum einen ist Fahrradfahren hier jedoch mit dem chaotischen Verkehr fast nicht möglich und zum anderen würde ich dann vermutlich noch mehr Blicke auf mich ziehen, als ich es als blonde Ausländerin sowieso schon tue – vor allem in Gegenden, wo sonst normalerweise keine Touristen unterwegs sind.

Natürlich wird nun auch hier fleißig für Weihnachten dekoriert. Alles ein bisschen mehr und kitschiger, als ich das aus Deutschland kenne. Als ich mit meiner Freundin durch ein Einkaufszentrum schlendere, sehen wir eine überdimensionale Weihnachtskugel, in der es schneit. Sie selbst meint daraufhin zu mir, eigentlich sollte es dort nicht schneien, sondern Menschen am Strand mit einer Kokosnuss in der Hand zu sehen sein. Ja, das dachte ich mir auch. Warum dekorieren die Menschen hier Eiszapfen an den Fenstern und verschneite Weihnachtsmänner? Und das obwohl das Stichwort Weihnachten hier wohl eher Gedanken wie schwül, heiß und Schweiß hervorruft und nicht etwa wie bei uns, kalt, Schnee und Kachelofen?

In Zeiten des spanischen Kolonialismus war Cartagena eine der größten Städte des Sklavenhandels in Südamerika. Deshalb sind hauptsächlich die kolumbianischen Küsten auch durch Afrokolumbianer geprägt.

Eine Freundin mit afrokolumbianischen Wurzeln und ich wollen ein Festival des Bullerengue besuchen. Bullerengue ist ein Musikstil, der sich aus der Sklavenzeit entwickelt hat. Sklaven, die gegen ihre Herren rebellierten und in abgelegenen Dörfern ihr eigenes freies Leben lebten, prägten diese Musikrichtung. Auf dem Festival treten verschiedene Jugendgruppen mit Tänzen und Gesängen gegeneinander an. Das Ziel dieser Gruppen ist es die afrokolumbianischen Traditionen nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Wir stehen früh morgens auf, um den vollen Tag nutzen zu können. Als wir in Maria la Baja, auch ein Dorf, in das sich Sklaven zurückzogen, ankommen, ist der Plaza leer und weit und breit niemand zu sehen. Im Haus der Kulturen sagt man uns, die Auftritte der Gruppen fangen erst um 14 Uhr an.

Während wir warten, lernen wir einen Herrn aus Palenque kennen. Palenque wird für das erste freie Sklavendorf in Südamerika gehalten und ist das einzige Dorf, das die Bräuche und sogar eine eigene Sprache, bis heute erhalten konnte. Unser neuer Freund erzählt uns viele spannende Dinge über die afrokolumbianischen Traditionen, während sich der Beginn des Festivals immer weiter nach hinten verschiebt. Dass hier selten die Uhrzeit gemeint ist, die gesagt wird, bin ich schon gewohnt, weshalb es mich nicht sehr überrascht, dass die Auftritte Letztenendes erst um 20 Uhr anfangen. Die Messe, in der am Plaza gelegenen Kirche, musste noch abgewartet werden. Den letzten Bus, den wir ursprünglich um 17 Uhr nehmen wollten, lassen wir deshalb sausen und entscheiden uns spontan die Nacht im Dorf zu verbringen. Das Festival endet wohl sowieso nicht vor 5 Uhr morgens, dann können wir auch den ersten Bus nehmen.

Belohnt werden wir dafür mit tollen Aufführungen der einzelnen Tanzgruppen, die mit ihrer traditionellen Kleidung, den expulsiven Tänzen und dem durchdringenden Gesang erahnen lassen, was sich damals in den Sklavendöfern abspielte. Wir kommen noch spontan in einer Schule unter und legen uns in die Hängematten, um etwas zu schlafen. Dies war jedoch kaum möglich, da ein Nachbar seine riesigen Musikboxen die ganze Nacht bis um 6 Uhr morgens laufen ließ und damit das ganze Dorf beschallte. Zwar mit wenig Schlaf, aber vielen neuen Eindrücken kehren wir wieder nach Cartagena zurück. Abgesehen von solchen Ausflügen verbringe ich die Zeit hier am Strand, übe mich im Kitesurfen, schlendere durch die Straßen der Altstadt oder begleite meine Freunde in ihrem alltäglichen Leben. Ich muss aufpassen, dass ich Weihnachten nicht vergesse, da ich mich hier gerade erfolgreich dem Vorweihnachtsstress entziehen kann. Weihnachten werde ich vermutlich mit einer befreundeten Familie feiern. Der traditionelle Weihnachtsgottesdienst findet hierbei nicht unbedingt am 24. Dezember statt, sondern manchmal auch schon am Sonntag davor. Am 24. Dezember wird die gesamte Großfamilie eingeladen, gemeinsam gegessen und um 24 Uhr die Geschenke ausgepackt.

Mit diesem Reisebericht schicke ich ganz liebe Grüße an Judith, Anka, Mama und Papa und hoffe, ihr habt ein schönes Weihnachtsfest, auch wenn wir wegen mir mal wieder nicht komplett sind. Außerdem sende ich an alle Leser und Leserinnen „Frohe Weihnachten“ aus Kolumbien und ich wünsche uns allen, dass wir dieses Jahr wieder einmal mehr erkennen können, was das Weihnachtsfest und die Geburt von Jesus mit unserem persönlichen Leben zu tun hat.

Muchos Saludos y Feliz Navidad!

Hannah Mönch

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