Nürtingen

Wie löst man einen unlösbaren Konflikt?

Ausstellung im Welthaus Nürtingen "Den Schmer der Anderen begreifen - die Ausstellung zu Flucht und Vertreibung der Palästinenser 1948 im kritischen Diskurs“ Foto: Michael Walter

NÜRTINGEN. Brechend voll war das Welthaus Nürtingen bei der dritten von insgesamt sechs Begleitveranstaltungen zur Ausstellung „Den Schmerz der Anderen begreifen – Ausstellung zur Flucht und Vertreibung der Palästinenser 1948 im kritischen Diskurs“.
Mit 40 Personen ist das Erdgeschoss in der Kirchstraße 14 gut besetzt, 90 sind an diesem Abend gekommen. Alle haben Platz gefunden und haben gebannt dem jungen Referenten gelauscht, Marwan Radwan aus Grötzingen: Ende 2015 kam er dort an als Flüchtling aus Syrien, mit seinem Bachelor-Abschluss in Politikwissenschaften. Mittlerweile hat er auch ein Masterstudium in Tübingen in Friedens- und Konfliktforschung gemacht. Aktuell ist er Betreuer in der Flüchtlingsarbeit der Caritas in Leutenbach im Rems-Murr-Kreis und in Waiblingen.
Er hat den „Gordischen Knoten“ des einhundertjährigen Nahostkonflikts nicht durchgeschlagen. Vielmehr hat er in nüchtern-emotionsfreier wissenschaftlicher Analyse aufgezeigt, welche regionalen und internationalen Perspektiven mitzubedenken sind, wenn man sich der Unlösbarkeit dieses Konfliktes annähert. Aufklärung im besten wissenschaftlichen Sinne – das Publikum dankte es ihm mit langanhaltendem Beifall – ind ging mit einer gehörigen Portion Ratlosigkeit auseinander: wenn die Dinge so stehen, wie eben gehört – wie soll es da jemals Frieden, gar Versöhnung geben für die Menschen dieser krisengeschüttelten Weltregion?
Es handle sich in erster Linie nicht um einen religiösen Konflikt zwischen Muslimen und Juden, so der junge Friedens- und Konfliktforscher; auch nicht um einen Kampf der Kulturen oder Identitäten. Was den regionalen Konflikt zwischen Israel und der den Gazastreifen beherrschenden Hamas so unlösbar erscheinen lässt, sind seine internationalen, globalen und ökonomischen Dimensionen.
Da seien einerseits die neu zu erschließenden bedeutenden Erdgasfelder unter der ganzen östlichen Mittelmeerhälfte, um die sich die Regionalmächte des östlichen Mittelmeerraumes aktuell stritten. Sie würden den weiterhin großen Bedarf Europas an fossilen Rohstoffen abdecken und könnten die EU so von Öl- und Gasimporten aus Russland unabhängig machen.
Andererseits gehe es um ein geostrategisches Großprojekt, das unter US-amerikanischer Führung als Gegenzug zum chinesisch-russischen Projekt der „Neuen Seidenstraße“ einen großen Korridor von Indien über die Vereinigten Emirate und Saudi-Arabien, Jordanien und Israel bis nach Italien, Frankreich und Deutschland plane. Gedacht ist dieses sogenannte EMC-Projekt der G20-Staaten für Seetransportlinien, Eisenbahnverbindungen, Öl-, Gas-, Wasserstoffpipelines, Kommunikationskabel. Es setze allerdings eine Befriedung der gesamten Großregion voraus, sowie die Eliminierung der Hamas, die diesem Großprojekt im Wege stünde.
Das Manuskript des Vortrags ist nachzulesen auf der Homepage des Welthauses unter www.welthaus-nt.de

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