NECKARTENZLINGEN. Nach Doris Kunstmann und Ron Williams wartet der Kulturring Neckartenzlingen auch in seiner zweiten Veranstaltung dieser Spielzeit mit Walter Sittler abermals mit einem Star auf, der den meisten Zuschauerinnen und Zuschauern aus Film und Fernsehen gut bekannt sein dürfte. Dementsprechend groß war auch der Ansturm in der Melchior-Festhalle kürzlich bei dem Stück „Als ich ein Kleiner Junge war“ von Erich Kästner.
Kästner, dessen Geburtstag sich heuer zum 125. Mal jährt, hat in seinem gleichnamigen Buch sehr viele autobiographische Elemente aus seiner Kindheit verarbeitet und hat es nach eigenem Bekunden nicht nur, aber eben auch für die Jugend geschrieben. Er selbst schreibt im Vorwort zu seinem Werk den bemerkenswerten Satz: Nicht alles, was Kinder erleben, sollten Kinder auch lesen. Ein Satz, dessen tiefere Bedeutung sich den Zuschauern im Verlauf des Abends immer mehr erschließen wird.
Wie in einer Zeitmaschine nimmt Walter Sittler das Publikum mit in die Vierzigerjahre des vorigen Jahrhunderts. Gebannt hing es an seinen Lippen, man hätte bisweilen eine Stecknadel fallen hören. Interpretiert von einem Meister seines Fachs war die Atmosphäre, die Stimmung, das Schwanken zwischen kindlicher Freude, hellem Lachen und tiefer Verzweiflung zum Greifen nah. Facettenreich und nuanciert gab er beidem seinen Raum. Nicht umsonst zählt „Als ich ein kleiner Junge war“ mit weit über 300 Vorstellungen zu einem der meistgespielten Theaterstücke der letzten Jahre im deutschsprachigen Raum.
Zusammen mit seinen musikalischen Begleitern Lars Jönsson am Klavier und Dieter Kraus am Saxofon erwuchs dieses Stück, getragen von der faszinierenden Rhetorik und Mimik von Walter Sittler in einem grandios inszenierten Monolog, zu einem Gesamtkunstwerk der Extraklasse. Virtuos, wie er von unbeschwerter Heiterkeit, über sensibles, in sich versunkenes Nachdenken, hinüberschwenkt zum Ausdruck inniger Verbundenheit mit der Mutter, um wenige Augenblicke später erneut die kindliche Zuversicht hervorzuheben, die in dieser Zeit für viele womöglich der Schlüssel zum Überleben war.
Für den Kulturring Neckartenzlingen war es die Bestätigung, mit seinem Mix aus Heiterem und Besinnlichem in der Auswahl der Stücke auf dem richtigen Weg der Programmgestaltung zu sein. Ein begeistertes und zum Teil tief bewegtes Publikum dankte es den Protagonisten auf der Bühne durch großen Zuspruch und einen lang anhaltenden Applaus.