Reportage

Die Südstaaten der USA sind ideal für eine Reise mit dem Wohnmobil

Mit der „City of New Orleans“ lässt es sich in New Orleans trefflich auf dem Mississippi cruisen und nebenbei speisen und Musik genießen. Foto: Andreas Warausch
In Graceland in Memphis trifft man zwar nicht den Geist von Elvis Presley. Auf den Spuren des King auf seiner Ranch zu wandeln, ist aber sehr eindrucksvoll. Foto: Andreas Warausch
Die Grand Ole Opry in Nashville, das Mekka der Country-Musik, bietet Country-Spaß pur – wie hier mit der Band der Riders in the Sky. Foto: Andreas Warausch
Die idyllische Oak Alley Plantation bietet Einblick in düstere Kapitel der US-Geschichte. Foto: sdv
Im Ryman’s in Nashville sind Devotionalien zu sehen, zum Beispiel von Johnny Cash. Foto: Andreas Warausch

Wer von einem Roadtrip durch die USA träumt, hat gemeinhin endlose Wüsten oder rote Felsen vor Augen. Hier unten im Süden ist alles anders. Wer von Atlanta aus beinahe schnurgerade auf der Interstate 85 gen Süden düst, sieht grün. Wälder. Hügel. Busch. Und die Käffer sind so klein, dass der, der beim Durchfahren einmal niest, sie glatt übersieht. So singt es Brent Cobb in seinem Countrysong „South of Atlanta“. Er hat recht. Es ist ein anderes Amerika. Uns ferner. Trump-Fahnen zur Wahl sind selten. Sie sind einfach nicht nötig.

Die betörende, einsame und gar nicht plakativ aufdringliche Schönheit von Dixie lässt den fahrend Countrymusik Genießenden sowieso nicht an Politik denken. Hier ist die Heimat des sprichwörtlich kleinen, arbeitenden Mannes aus dem kleinen Dorf. Dessen Träume materialisieren sich in Countrysongs. So sang es schon Musik-Heroe Merle Haggard.

Ein Traum ist es auf jeden Fall, auf der Fahrt zum Golf von Mexiko im Florence Marina State Park zu nächtigen. Hier hängt das Spanish Moss von den Eichen beinahe hinunter in den Chattahoochee-River, der hier die Grenze zwischen Georgia und Alabama bildet. Wenn die Sonne hinter diesen natürlichen Vorhängen verschleiert untergeht, scheint die Abendromantik perfekt. Doch Vorsicht: Alligatoren sind zu Hause in dem Fluss, dessen lustvoll mäandernder Verlauf für temporale Verwirrung sorgt. Denn zwischen den beiden Südstaaten gibt es eine Stunde Zeitunterschied. Dixie ist eben nicht gleich Dixie – auch wenn beide Staaten südlich der namensgebenden historischen Landvermessungsgrenze der Mason-Dixon-Line liegen, die einst die südlichen Sklavenhalterstaaten von den Nordstaaten trennte.

Traumhaft ist auch eine Stippvisite im Providence Canyon, der mit seinen roten Felsen dem berühmten und im Vergleich riesengroßen Bruder des Bryce Canyon in Utah ähnelt. Doch ihn schob Menschenhand an, als vor 200 Jahren Siedler den Boden zu bearbeiten begannen und im typischen roten Georgia-Lehm Erosion auslösten.

Der nächste Traum ist weiß. Und fein wie Mehl. „Das wahre Florida“ nennen die Einheimischen den Landstrich der Panhandle, des Pfannenstiels, am Golf von Mexiko. Hier beginnt auch die Redneck Riviera, die Lieblingsküste der ländlichen Südstaatler. Breiteste, längste, einsamste und windumtosteste Strände liegen hier. So weiß und fein ist der Sand, dass man sich bei einem dramatisch wolkigen Sonnenuntergang in einer Schneewüste wähnen könnte – wären da nicht die kurzen Hosen und T-Shirts.

Anspieltipps sind der St. Andrews State Park und auf dem Weg weiter westlich der Henderson Beach State Park und der Golf Shores State Park. Hier campt man teils direkt am Strand. In einer Gegend, in der verschiedenste Vögel, Fische oder Schildkröten zu Hause sind – aber auch Alligatoren und Haie. Die Straße wechselt hin und her über Brücken, die man eigentlich nur auf den Florida Keys vermutet, vom Festland auf die schmalen vorgelagerten Inseln. Ein Traum.

Ein Traum, bei dem man in wenigen Tagen die nötige Kraft für die kommende Sightseeing- und -hearing-Tour tankt. Vorbei an Mobile, wo man auf der im Zweiten Weltkrieg aktiven USS Alabama Patrioten-Luft schnuppern kann, geht es nach New Orleans. Diese berühmte Stadt, the Big Easy. an einem Tag erleben? Geht. Wenn es sein muss, weil die (Reise-)Zeit fehlt. Also, dann erstmal ins French Quarter. Durch das französische Viertel lässt sich schon morgens schlendern, nicht erst abends, wenn die Autos völlig US-untypisch ausgeschlossen werden. Denn hier beginnt die Musik-Tour durch die Südstaaten. Aus jeder Kneipe südlich des Louis-Armstrong-Parks dröhnt Musik. Bevorzugt Blues. Hier ein Bier im Stehen. Weiter zur nächsten Kneipe. Vorbei an historischen Häusern mit den typischen Balkonen. Zwischendurch ein Beignet, das typische Brandteig-Gebäck.

Traum und Albtraum ganz nah:Die Oak Alley Plantation

Und dann geht es rechtzeitig zur vom French Quarter nur ein paar Schritte entfernten Anlegestelle. Hier startet das Steamboat „Natchez“ und eben die „City of New Orleans“. Die ist natürlich nicht der Zug aus Arlo Guthries Folksong, sondern ein Flussgefährt, das so richtiges Huckleberry-Finn-Feeling aufkommen lässt. Es gibt verschiedene Fahrtangebote. Aber abends auf dem Mississippi in die Dämmerung rollen, nachdem das Horn die Abfahrt frech und stolz in die Schluchten der Wolkenkratzer der Metropole blasend verkündet hat, ist unübertroffen. Wohl dem, der ein mehrgängiges Menü unter Deck gebucht hat und danach auf dem oberen Deck exzellenten Jazz oder Dixieland live kredenzt bekommen hat. Dieser Traum endet mit nimmermüden Blicken auf die Lichter der Skyline.

Noch einmal geht es eine Stunde westwärts. Auch im kleinen Vacherie direkt am Mississippi kann man auf eine traumhafte Kulisse treffen. Denn hier steht die Oak Alley Plantation. 400 Jahre sind die Eichen alt, die die Allee vom Ole Man River zum Herrenhaus bilden. Glatt könnte man meinen, Scarlett O’Hara betritt gleich die Galerie im ersten Stock –auch wenn „Vom Winde verweht“ hier nicht gedreht wurde. Die Besitzer bauten hier einst Zuckerrohr an. Oder besser: Sie ließen anbauen. Und damit wird der Traum zum Albtraum. Jenseits aller unpassenden Romantisierungen skizziert eine Führung im Herrenhaus nämlich nicht nur, wie die Herren und - Damen im Haus lebten. Sie zeigt erschütternd und realistisch was es bedeutete, als rechtloser Sklave im Haus zu dienen. Dazu nach dem Besuch in der prachtvollen Villa das Gegenprogramm: Einblicke in die Sklavenunterkünfte.

Von nun an geht es mit dem Mississippi gen Norden. Jenseits großer Straßen sollte man zumindest ein Stück weit auf dem Natchez Trace Parkway durch grünste Wälder auf geschwungener Straße fahren. Hier folgt man der Old Trace, der alten Spur, die vor tausenden Jahren schon ein Handelsweg der Ureinwohner war und dem später spanische Eroberer, Trapper, Händler und Soldaten folgten – bis kurz vor Nashville.

Dort wollen auch die Blechbüchsen-Nomaden von heute hin. Es geht über Vicksburg. Die Lage am großen Strom brachte der Stadt im Bürgerkrieg 1863 eine Belagerung durch die Unionstruppen aus dem Norden ein. Natürlich gibt es hier einen der zahlreichen Military Parks, in deren heute gepflegt-friedlichen Gefilden sich die grausamen Schlachten des Brüderbürgerkriegs abspielten. Typisch amerikanisch rollt man durch den Park mit dem Auto an den Denkmälern, an den Kanonen und Stellungen vorbei. Ein Besuch im Museum der USS Cairo sollte nicht versäumt werden. Mit stählernen Kanonenbooten wie diesem versuchten die Nord- die Südstaatler von der Lebensader des Mississippi zu trennen. Der Koloss wurde erst 1956 aus den brackigen Fluten eines Mississippi-Nebenflusses geborgen.

Hier im Süden ist eben auch bittere Geschichte lebendig. Bis heute. Louisiana und Mississippi gehören zu den ärmsten Bundesstaaten der USA. Arm sind viele, die auf den Feldern geboren ist. Oft sind es die Nachfahren der einst versklavten Menschen, die hier festhängen. Die zahlreichen Gefängnisse entlang der Straße sind voll von Menschen, die keine Perspektive haben. Für den, der im Frühjahr mit dem Wohnmobil gelegentlich stürmischem Wetter ausweichen will, ist die Straße durch die nun grauen und oft überfluteten Baumwollfeldern ebenso trostlos wie die Perspektiven der Menschen hier. Doch im kleinen Kaff Indianola kann man einem Menschen die Ehre geben, der Perspektivlosigkeit gegen einen Traum tauschte: Hier kann man das Museum von Blues-Heroe B. B. King samt Grab ansehen.

Einem noch gewaltigeren Heroen der Musik begegnet man weiter nördlich in Memphis im wesentlich reicheren Bundesstaat Tennessee. Auf der Ranch Graceland kann man nicht übernachten, doch direkt daneben auf dem Campground. Dann kann man am Morgen zu den Ersten gehören, die eine Audienz beim King of Rock‘n‘Roll haben.

Verschiedene Touren gibt es, der Besuch im Haus ist Pflicht. Hier spürt man den Geist von Elvis, auch wenn man ihn nicht wie Marc Cohn in „Walking in Memphis“ selbst trifft. Man schaut sich die Wohnräume, die der King selbst mit erstaunlichem innenarchitektonischen Drang gestalten ließ. Man steht an seinem Grab. Und dann geht es zurück in das Gelände, das man in Anlehnung an Disneyland am liebsten Elvisland nennen möchte. Hier sieht man seine Autos, ja, seine Flugzeuge. Seine beinahe unfassbaren vielen Kleider, die legendären Jumpsuites, und goldenen Platten – und vieles mehr. Lohnend durchaus nicht nur für Fans.

Und ebenfalls nicht nur für Fans der Countrymusik ist ein Besuch in Nashville, dem Mekka jener Musik, die die Träume des arbeitenden Mannes in Zeilen und Tönen gießt, ein Reisetraum. Auch die Lebensträume vieler Menschen erfüllen sich hier – oder zerplatzen. Die pulsierende, reiche Partystadt ist voll von junger Musikern, die von der hier ansässigen Label-Industrie entdeckt werden wollen. Deshalb spielen beinahe in jedem der unzähligen Saloons und auf deren Dachterrassen vor allem entlang des Broadways Musikerinnen und Musiker mit Starpower – tags und nachts.

Die Geschichte vieler, deren Träume in Erfüllung gegangen sind, kann man zum Beispiel im Ryman‘s Auditorium nachvollziehen. Wer das rote Backsteingebäude für eine Kirche hält, liegt nicht ganz falsch. Der reiche Mississippi-Reeder Captain Tom Ryman hatte sie Ende des 19. Jahrhunderts als Gotteshaus für einen Baptistenprediger bauen lassen. Seine Nachfahren nutzten die Kirche bald geschäftstüchtig auch als Konzert- und Theater-Location. So wurde sie auch 1943 Aufzeichnungsort der „Grand Ole Opry“, einer Country-Radioshow, die bis 1974 von dort in alle amerikanische Haushalte ausgestrahlt wurde. 1994 wurde das Ryman’s auf Betreiben von Country-Größen wieder zum Museum und Konzertort gestylt.

Die Show der Grand Ole Opry aber blieb in einer neuen Konzerthalle etwas abseits des Zentrums von Nashville. Wer Karten für eine Show dort ergattern kann, sollte sich das Vergnügen keinesfalls entgehen lassen. Auch wenn er nicht Countryfan ist. Die Musik gehört zum Land. Ja. Doch jenseits des Lerneffekts macht ein Abend dort einfach Spaß – und man ist hingerissen von der Leichtigkeit versprühenden Professionalität und dem Talent der Stars, die dort auftreten. Freilich fehlt auch nicht der Radiosprecher, der dem Abend Rahmen gibt.

Auf dem zwei Fahrtage umfassenden Rückweg nach Atlanta klingen die Sounds von aktuellen Top-Stars wie Chris Young oder erfahrenen Bühnenhelden wie den Riders in The Sky noch in den Ohren. Doch der Reise-Soundtrack wird Brent Cobbs „South of Atlanta“ bleiben. Denn südlich von Atlanta, da liegt der Reisetraum Dixie.

Infos zum zweiwöchigen Rundtrip

Die Reise begann Ende März 2023 mit einem rund zehnstündigen Direktflug mit Delta Airlines von Stuttgart nach Atlanta im US-Bundesstaat Georgia. Nach der Wohnmobil-Übernahme führte die zweiwöchige Fahrt über 1800 Meilen (2880 Kilometer) im Uhrzeigersinn zurück nach Atlanta. Übernachtet wurde auf der Reise durch die Staaten Georgia, Alabama, Florida, Louisiana, Mississippi und Tennessee meistens auf Campgrounds in idyllischen Stateparks. Von Andreas Warausch

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