Leserbriefe

Katastrophales Bildungssystem

Hartmut Wirsching, Beuren. Zum Artikel „Neuer Pisa-Schock: Schüler schneiden so schlecht ab wie nie“ vom 6. Dezember.

Der Bildungsbericht des Instituts für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) und die Ergebnisse der PISA-Studie zeigen wieder einmal, dass viele Schülerinnen und Schüler die Regel- und Mindeststandards in Deutsch und Mathematik nicht mehr erreichen. Wie viele Studien braucht es eigentlich noch, bis die letzten Verantwortlichen in der Bildungspolitik erkennen, wo die wahren Ursachen dieser Bildungsmisere liegen? Unser Bildungssystem ist strukturell und inhaltlich im internationalen Vergleich eine Katastrophe. Seit Jahrzehnten zeigen unzählige Untersuchungen, wie stark die Bildungschancen von der sozialen Herkunft abhängen. Schaut man sich die Fachliteratur der letzten Jahrzehnte zur Bildungsdebatte an, so wird deutlich, dass es eine Vielzahl von Vorschlägen durch Erziehungswissenschaftler, Bildungssoziologen und Schulpraktikern gab und gibt, wie bessere Bildung erreicht werden kann. Ich selbst habe über 40 Jahre an Schulen gearbeitet und weiß, wovon ich rede. Bärbel Krauß zieht in ihrem Kommentar die richtigen Schlussfolgerungen – „wir brauchen eine Strukturreform an Haupt und Gliedern“.

Dabei dürfte ein Blick auf die Bildungssysteme in Estland und Skandinavien, die weltweit zu den besten gehören, als Vorbild genügen. Hier werden die Schüler nicht nach Schularten sortiert. Gemeinsames Lernen steht hier im Vordergrund. Unsere Bildungspolitik muss sich deshalb radikal ändern. Es muss erklärtes bildungspolitisches Ziel sein, alle Kinder und Jugendlichen entsprechend ihren individuellen Fähigkeiten angemessen und intensiv zu fördern. Hierzu sind massive finanzielle Investitionen in die Lehrerausbildung, in die personelle und sachliche Ausstattung von Schulen notwendig. Wir brauchen ein Sondervermögen Bildung, analog zum Sondervermögen Bundeswehr, um ein unterfinanziertes, ungerechtes und marodes Bildungssystem zu sanieren.

Zur Startseite