Leserbriefe

Die wahren Gefahren

Raul Guerreiro, Nürtingen. Zum Kommentar „Rüstungsrekord - und sicher nicht der letzte“ vom 29. April.

Im Kommentar über Aufrüstungsrekorde wurden sehr scharfe Worte verwendet: „Zahlen, bei denen einem schwindelig wird“. Wir können das verstehen, denn wir verteidigen auch unseren Garten gegen monströse Eindringlinge wie die Spanische Wegschnecke, die bald wieder auftaucht. Laut Nabu richtet sie die größten ökologischen, ökonomischen und gesundheitlichen Schäden in Europa an. Vermeidung von Verlusten ist also der ehrbare Grund für alle Sorge um Zahlen. Im Kommentar fehlen aber ganz andere schwindelerregende Zahlen: zehn Millionen Menschen sterben jährlich nicht durch Waffen, sondern weil sie Nikotin statt sauberer Luft einatmen (1,2 Millionen davon, weil sie sich in der Nähe von Rauchern aufhalten); neun Millionen Menschen sterben an Hunger (laut Unicef derzeit eine Million gefährdete Kinder in Gaza); circa 13 Millionen Menschen starben im Ersten Weltkrieg und circa 80 Millionen im Zweiten Weltkrieg. Für diejenigen, die exotische Gefahren bewundern, sei erstens daran erinnert, dass 20 Prozent der deutschen Jugendlichen heute nicht wissen, was „Nationalsozialismus“ war oder ist (Quelle: Forsa). Angesichts dieser ernsten Realitäten klingt es fast grotesk, wenn es auf Seite 2 heißt: „Ein schlecht vorbereitetes Deutschland ist heute die größte Gefahr für Europa“. Dazu ist von einer „Schlüsselrolle“ die Rede, die dem wirtschaftlich stärksten Land Europas bei der Aufrüstung zukomme. Nach Goethe und Schiller ist aber die historische Hauptaufgabe Deutschlands, dank seiner Lage im Herzen Europas, eher eine kulturelle Auferstehung zu pflegen, um eine geistig erleuchtete Gemeinschaft der Zukunft zu gründen. Das hat in der Vergangenheit viele Menschen, trotz aller Auseinandersetzungen, zu einem friedlichen Zusammenleben inspiriert. Zum Schluss und in aller Kürze: Waffen sind der Urfeind aller Mütter – sie töten, statt Leben zu schenken.

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