Weihnachtsgrüße

Knallbonbons zur Weihnachtsansprache der Queen

Linda Jaiser berichtet von englischen Weihnachtstraditionen – Sie lebt seit mehr als drei Jahren in Oxford

Beim Besuch des weihnachtlich dekorierten Herrenhauses Basildon Park sah Linda Jaiser den ersten Schnee.

Bereits seit mehr als drei Jahren lebe und arbeite ich in Oxford in Großbritannien. Das ist jedoch das erste Jahr, in dem ich Weihnachten hier verbringe. Die Kleinstadt mit nur etwa 160 000 Einwohnern wird geprägt durch die prestigeträchtige Universität – nicht nur architektonisch. Die Uni zieht Studenten sowie Touristen aus aller Welt an und ist auch einer der Hauptarbeitgeber der Stadt.

Ein Spitzname für Oxford ist „City of Dreaming Spires“ – der Dichter Matthew Arnold hat diesen geprägt aufgrund der Architektur der 39 Colleges, die zusammen die University of Oxford bilden. Seit März 2020 hat sich wie in Deutschland durch Covid-19 einiges geändert. Während der insgesamt drei Lockdowns in England wurden in Oxford Radwege erneuert, einige Geschäfte und Restaurants in der Innenstadt mussten schließen und die üblicherweise überfüllten Straßen Oxfords waren zwischendurch wie leer gefegt.

Seit dem ersten Lockdown arbeite ich von zu Hause aus. Das hybride Arbeiten ist zu einer Option geworden, die inzwischen Mitarbeitern in vielen Unternehmen zur Verfügung steht und überwiegend geschätzt wird.

Neben dem nie anhaltenden Strom an Studenten, Touristen und Sprachschülern war Oxford vor der Pandemie geprägt von einer großen Anzahl an Obdachlosen – der Begriff, der hier üblicherweise verwendet wird, ist „rough sleeper“. Durch die „Everyone In“-Initiative der Regierung wurden die lokalen Behörden und ihre Partner, verschiedene Charities wie etwa St. Mungo’s, die sich um die Belange von Obdachlosen kümmern, darin unterstützt, sichere, temporäre Unterkünfte (etwa in Hotels oder Hostels) zu finden, um diese und die breite Öffentlichkeit über den Winter 2020/21 vor den Gefahren von Covid-19 zu schützen. Diese Maßnahmen halfen zwar teilweise, Menschen auch permanente Unterkünfte zu besorgen, es gibt jedoch inzwischen wie zuvor „rough sleeper“ auf den Straßen Oxfords, die von einer großen Anzahl an lokalen Charities unterstützt werden.

Mit dem „Freedom Day“ im Juli 2021 wurden alle Covid-19-Restriktionen aufgehoben und daraufhin unter anderem jedem selbst überlassen, ob er eine Maske in öffentlichen Verkehrsmitteln oder Supermärkten tragen wollte. Jedoch wurden im November anlässlich der neuen Variante wieder leichte Restriktionen eingeführt wie etwa eine Maskenpflicht in diesen Bereichen.

Die erste Weihnachtsstimmung hatte ich bereits Ende November, als ich mit einer Freundin das weihnachtlich dekorierte Herrenhaus Basildon Park, etwa 40 Kilometer südlich von Oxford, besucht habe. Dort gab es auch schon den ersten Schnee dieses Jahr – eine Seltenheit in Südengland. Alte Herrenhäuser („manor houses“) wie dieses, das in mehreren Film- und TV-Produktionen genutzt wurde, wie etwa „Pride & Prejudice“ (2005) oder der in UK beliebten TV-Serie „Downton Abbey“, werden in England, Wales und Nordirland überwiegend von der gemeinnützigen Organisation „National Trust“ betreut. Eine weitere Besonderheit um die Weihnachtszeit sind die „Christmas Lights“ in London. Von Oxford ist man mit dem Zug in einer Stunde dort. Die Engel, die Regent Street und James Street zieren, sind sehr bekannt und dort jedes Jahr zu sehen, während etwa die Shoppingmeile Oxford Street und Carnaby Street wechselnde Lichtinstallationen haben – dieses Jahr sind es Sterne beziehungsweise Neon-Schmetterlinge.

Der Weihnachtsbaum wird in England schon zu Beginn des Advents aufgestellt. Diese ursprünglich deutsche Tradition wurde in England zum ersten Mal Ende des 18. Jahrhunderts von der deutschen Königin Charlotte, der Gemahlin von Georg III., eingeführt. Prinz Albert, der Ehemann von Queen Victoria, ließ schließlich im Dezember 1840 mehrere Fichten aus seiner Heimat Coburg importieren. Durch Bilder der Royal Family vor dem Weihnachtsbaum, die in den Zeitschriften Illustrated London News, Cassell’s Magazine und The Graphic in den 1850er-Jahren veröffentlicht wurden, setzte sich der Brauch schließlich auch in weiten Teilen der Bevölkerung Englands durch.

Engel zieren die Regent Street und James Street in London.

„Christmas Carols“ (Weihnachtslieder) sind während der Adventszeit sehr beliebt bei den Engländern. Häufig hört man diese in der Innenstadt mit der Bitte um Spenden für eine Wohltätigkeitsorganisation. Kirchen bieten zahlreiche „Carol Services“ an, die aus dem Vortragen von traditionellen Weihnachtsliedern und Lesungen der Weihnachtsgeschichte in der Bibel bestehen. Viele Kirchen streamen ihre Gottesdienste und damit auch Carol Services seit dem Beginn der Pandemie online (etwa über stebbes.org – Livestream).

In England wird Weihnachten am 25. Dezember (Christmas Day) gefeiert. Üblicherweise gibt es ein reichhaltiges Mahl mit gebratenem, gefülltem Truthahn sowie Preiselbeersoße, Gemüse und Kartoffeln. Ein traditionelles, wie ich finde ziemlich gewöhnungsbedürftiges, Dessert ist der „Christmas Pudding“, dieser hat nichts mit dem deutschen Pudding zu tun, sondern ist eine feste Masse, bestehend aus Rosinen, Brotkrumen, Eier, Gewürzen, Zucker, Fett und Alkohol, der über längere Zeit gelagert wird, bevor er serviert wird. Ziemlich beliebt sind „Mince Pies“, kleine Gebäckstücke aus Mürbteig, gefüllt mit einer Mischung aus Rosinen, Aprikosen, Kirschen und kandierten Früchten, die über die gesamte Adventszeit verkauft und verzehrt werden.

Traditionell schaut man sich am Weihnachtstag um 15 Uhr die Weihnachtsansprache der Queen an und zur Unterhaltung gibt es „Christmas Cracker“, Papphülsen, die mit buntem Papier umwickelt und an beiden Enden verdreht sind. In Deutschland heißen sie, glaube ich, Knallbonbons. Klassischerweise sitzt die Familie um den Tisch und alle verschränken ihre Arme, um die Cracker auf einmal zu ziehen. Jeder hält seinen eigenen Cracker in der rechten Hand und zieht mit der freien linken Hand am Cracker seines Nachbarn. Dieser öffnet sich mit einem Knall und im Inneren befindet sich eine Papierkrone aus Seidenpapier, ein Spruch oder Witz auf einem Zettel und ein kleines Geschenk wie etwa ein Flaschenöffner.

Der 26. Dezember ist allgemein bekannt als „Boxing Day“ – die historische Bedeutung kommt aus den 1800er-Jahren, als Bedienstete traditionell am Tag nach Weihnachten frei hatten und von ihren Dienstherren ein Weihnachtspaket erhielten, die „Christmas box“, die sie zu ihren Familien brachten. Heutzutage ist der Boxing Day vielfach ein verkaufsoffener Feiertag mit reduzierten Preisen und Schnäppchen – und großem Kundenandrang. Außerdem werden Sportwettkämpfe, etwa im Fußball und Rugby, ausgetragen.

Viele Grüße an meine Familie und Freunde in Deutschland – ich vermisse euch! Frohe Weihnachten! Merry Christmas! Happy Holidays!

Linda Jaiser

Zur Startseite