Leserbriefe

Ist Klimaschutz „Ökopropaganda“?

Otmar Braune, Nürtingen. Zum Leserbrief „CO2: Wir reduzieren und China produziert“ vom 9. Mai. Da die Folgen des Klimawandels für uns, unsere Kinder und Enkel dramatisch werden können, kann man das Verunglimpfen von Klimaschutz als „Ökopropaganda“ nicht einfach so stehen lassen.

Tatsache ist, dass sich in der Erdgeschichte Eiszeiten und Warmzeiten abgewechselt haben und es dafür natürliche Ursachen gab. Beispielsweise lag in der letzten Eiszeit die globale Durchschnittstemperatur um etwa fünf Grad niedriger. Seit dieser letzten Eiszeit, die vor etwa 10 000 Jahren zu Ende ging, ist das Klima außergewöhnlich stabil. Diese Stabilität ist Voraussetzung für die Landwirtschaft und letztendlich für die Zivilisation und Kultur der Menschheit.

Fakt ist auch, dass durch das Verbrennen von fossilen Energieträgern wie Kohle, Öl und Gas die Konzentration von Kohlendioxid in der Erdatmosphäre seit Beginn der Industrialisierung von 280 ppm auf 400 ppm (Teile CO2 pro Million Teile Luft) angestiegen ist. Wie man aufgrund von Eiskernbohrungen weiß, geht dieser Anstieg weit über die natürlichen Schwankungen der letzten 800 000 Jahre hinaus. Deswegen muss es aus physikalischen Gründen wärmer werden. Und tatsächlich hat sich die globale Mitteltemperatur in den letzten hundert Jahren um 0,69 Grad erhöht. Keiner der anderen Einflussfaktoren auf das Klima hat sich in diesem Zeitraum so verändert, dass damit diese Erwärmung auch nur ansatzweise erklärt werden kann.

Die Folgen dieser Erwärmung sind inzwischen überall spürbar: zum Beispiel hat ein nie dagewesenes Hagelunwetter vor knapp zwei Jahren im Albvorland einen Schaden von über zwei Milliarden Euro verursacht. Wir beobachten: Die Stabilität des Klimas nimmt ab – Extremereignisse nehmen zu. Unter der Annahme, dass die Menschheit Kohle, Öl und Gas weiter wie bisher verbrennt, errechnen Klimamodelle einen Temperaturanstieg von sechs bis sieben Grad bis Ende des 21. Jahrhunderts. Ziel der Verhandlungen zum Klimaschutz ist es, den Anstieg auf maximal zwei Grad zu begrenzen. Die Technologien dafür sind vorhanden. In Deutschland sind die unerschöpflichen Energiequellen Sonne, Wind, Wasserkraft und Biomasse mit knapp 30 Prozent bereits die wichtigste Stromquelle. Energiewende und Klimaschutz sind kein „Durchpeitschen einer grün-sozialistischen Diktatur“, wie Herr Schweickhardt behauptet, sondern machen uns unabhängiger von Energieimporten und erhöhen die lokale Wertschöpfung. Ein dezentrales Energiesystem, in dem viele Bürger ihren Energiebedarf ohne CO2-Ausstoß selbst erzeugen können, mag ein Horrorszenario für Energiekonzerne sein. Ein Angriff auf unsere „freiheitlich demokratische Grundordnung“ ist die Energiewende dagegen sicher nicht. Auch China hat eine Energiewende eingeleitet und in den ersten drei Monaten des Jahres seinen CO2–Ausstoß um fünf Prozent vermindert.

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