Licht der Hoffnung

Hinter dem Horizont der Ängste

Licht der Hoffnung: Das Finale mit Sulutumana war ein furioser und Mut machender Schlusspunkt der Weihnachtsaktion unserer Zeitung

Wollten gar nicht mehr aufhören zu spielen und ihr Publikum zu begeistern: Sulutumana beim Finale unserer Aktion „Licht der Hoffnung“ in Frickenhausen. Foto: Holzwarth

Alte Liebe rostet nicht – das sah man am Samstag beim Finale der 25. Auflage unserer Aktion „Licht der Hoffnung“, das die VR Bank Hohenneuffen-Teck möglich gemacht hatte, einmal mehr: Sulutumana rissen ihr Publikum einmal mehr mit (und am Ende von den Sitzen). Sie mögen sich einfach, die Schwaben vom Albrand und die Lombarden vom Comer See.

FRICKENHAUSEN. In rasendem Tempo sauste er über das Schneefeld bergab, es gab kein Halten mehr. Erst nach 80 Metern stieß Nadir Giori, der beim Klettern in den Piemonteser Alpen verunglückt war, mit dem Kopf gegen einen Felsen. Die unfreiwillige Talfahrt war gestoppt, doch der Bassist der Liedermacher von Sulutumana und seine Frau schwebten in Lebensgefahr. Niemand wusste, ob und wie es weitergehen sollte.

Doch seltsam (oder auch nicht): Gerade dieses Unglück wurde zum Impuls für ein neues Album der Jungs vom Comer See: „Dove tutto ricomincera – wo alles wieder anfangen wird“. Es ist vielleicht das stärkste, das sie je gemacht haben (obwohl dies eine gewagte Aussage ist), und zählt auf jeden Fall zum Besten, was die italienische Liedermacher-Szene in den vergangenen Jahren hervorgebracht hat.

Weil hinter jedem Ton, hinter jedem Takt, hinter jedem Wort eine tiefe Überzeugung steckt: Die Mauern des Gefängnisses der Angst und der Ängste müssen gesprengt werden – im Leben eines einzelnen Menschen, gewiss. Aber auch im Miteinander einer Gesellschaft, die von der Diktatur der Panik, der Panikmache und der Panikmacher unterjocht zu werden droht.

Das ist der rote Faden, der über mehr als zwei Stunden eines Sulutumana-Konzerts in immer neuen Varianten und Techniken gesponnen wird: mal rockig, mal jazzig, mal romantisch, mal folkloristisch. Aber immer authentisch. Es schien, als wollte die Truppe gar nicht mehr aufhören zu singen und zu spielen. Und als wollte das Publikum gar nicht mehr aufhören zuzuhören, mitzugehen, mitzumachen und Applaus zu spenden.

Die Zeit verging wie im Fluge, und zugleich wähnte man, dass jemand die Uhr angehalten hätte. Die Zeit spielte keine Rolle – weil die Zeitlosigkeit zu den zentralen Dingen gehört, die die Faszination und den Zauber dieses Ensembles ausmachen. Übrigens in mehrerlei Hinsicht: sowohl was den Stil der Musik anbelangt, als auch was die Aussage der Lieder betrifft.

Die Texte von Sulutumna haben literarische Qualität. Was heißt: Die Worte sind für den gemeinen Italienurlauber nur schwer oder gar nicht nachvollziehbar. Doch merkwürdig: Man versteht dennoch genau, worum es geht. In diesen Liedern. Und überhaupt im Leben. Und da spielen die Sehnsucht, die Träume, die Liebe eine ganz zentrale Rolle.

Man kommt sich vor wie auf einer Piazza am Comer See

Mit diesem Dreigestirn der Lebenskraft zaubern die Jungs selbst in eine schwäbische Festhalle eine Atmosphäre, bei der man sich vorkommt, als säße man just in diesem Moment auf einer Piazza am Comer See und würde im nächsten Augenblick auf das kleine Segelboot der Prinzessin steigen, das einen zum Ziel seiner Träume bringt.

Dies klappt natürlich nur, weil alle auf der Bühne exzellente Musiker sind: Gian Battista („Giamba“) Galli mit seiner unendlich warmen Stimme, der zugleich das Akkordeon von allem Verstaubten, das ihn zuweilen noch anhaftet, befreit. Francesco Andreotti am E-Piano, ein Maestro nicht zuletzt der leisen Töne. Nadir Giori, ein Künstler am Kontra- wie am elektronischen Bass, der kein Star sein will und dafür lieber sein Instrument zum Star macht. Ähnlich wie Beppe Pini, ein begnadeter Gitarrist, der mit so manchem Gustostückerl aufwartet. Drummer Marco Castiglioni wiederum haut nur selten auf die Pauke – er versteht es, sein Schlagzeug zu streicheln. Fantastisch! Und nicht zu vergessen Angelo Galli, der ein ganzes Arsenal von Dingen mitgebracht hatte, mit denen man Klangeffekte erzielen kann. Er zeigte: Man muss keineswegs immer im Mittelpunkt stehen, um Akzente zu setzen.

Sulutumana: Das ist im Grunde ein Ton-Gemälde voll leuchtender Klangfarben in allen Schattierungen. Ein Bild, das auch in einem selbst zu leben beginnt. Und einem dadurch neue Kraft schenkt.

Wie sagte doch Giamba? „Hinter dem Horizont der Angst wartet keine Grenze. Sondern unsere Zukunft.“ Vertrauen wir darauf. Denn das ist auf jeden Fall wesentlich besser, als im Kerker der Furcht und Hoffnungslosigkeit zu schmachten. Viel viel besser.

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