Licht der Hoffnung

Das kleine Licht, das die Nacht durchbricht

Dirk Raufeisen and The Presence begeisterten auch bei der fünften Gospel-Weihnacht in der Neuffener Martinskirche

Sich öffnen für die Botschaft der Weihnacht: Dirk Raufeisen und The Presence rissen ihr Publikum in der Neuffener Martinskirche mit. Foto: Holzwarth

Es ist dunkel geworden in vielen Herzen. Die Angst greift nach den Menschen. Doch auch wenn viele zweifeln und verzweifeln: Schon ein kleines Licht vermag die Macht der Dunkelheit zu brechen. Und ein ganz großes Licht war die Gospel-Weihnacht vorgestern Abend in der Neuffener Martinskirche, bei der Dirk Raufeisen und The Presence die frohe Botschaft verkündeten.

NEUFFEN. Es war ein furioser Start in die zweite Hälfte des Festivals der Hoffnung: Auch beim fünften Auftritt dieses Ensembles ging das Publikum vom ersten Moment an mit, ließ sich hineinnehmen in die Innigkeit und den Taumel dieser im Glauben wurzelnden Lieder, die dieses Mal eine stärkere „weltliche Ergänzung“ als sonst erhielten – mit Ohrwürmern wie Nat King Coles romantischem „Christmas Song“, der sehnsuchtsvollen „White Christmas“ (die wegen des Klimawandels hierzulande immer seltener wird), dem tänzelnden „Let it snow“ oder den lustigen „Jingle Bells“ (bei denen das begeistert mitgehende Publikum eine tragende Rolle spielte).

Wobei die sieben gleichwohl keinen Hehl daraus machen, dass es ihnen nicht nur darum geht, es mit mal innigen, mal fetzigen Rhythmen krachen zu lassen oder Gänsehaut-Feeling zu erzeugen. Nein: Sie stehen hinter dem, was sie singen und spielen. Mit jeder Faser ihres Körpers. Mit jedem Tropfen Herzblut, den sie während dieser zwei Stunden in Fülle vergießen.

Neuffen und das Licht der Hoffnung – diese Kombination scheint allen auf und vor der Bühne gutzutun. Da blühen auch diese begnadeten Musiker auf – und bekommen Mut und Selbstvertrauen, was zu wagen. Kirsten Raufeisen etwa, die sonst bei der evangelisch-reformierten Kirche in Signau im Emmental die Orgel spielt, sang mit „The Presence“ ihr erstes Solo – und erhielt tosenden Applaus.

Bettina Müller war bei ihrem ersten Gastspiel in der Martinskirche vor einigen Jahren in erster Linie Background-Sängerin – und hat eine fantastische Entwicklung zur Solistin von Rang hinter sich. Was nicht zuletzt bei „Thy will“ spürbar war.

Götz Ommert ließ einen nicht nur bei seinem Solo erleben, dass ein Kontrabass mehr sein kann als nur ein Begleitinstrument – vor allem, wenn man ihn so brillant zu zupfen versteht wie er.

Wie Monika Marner das Saxofon zu spielen versteht – das überwältigt einen förmlich. Bei ihren Soli (wie etwa „Amazing Grace“, „I’m on the battlefield for my Lord“ oder beim bewegenden „His Eye on the sparrow“) reiht sich ein Glanzlicht ans andere.

Auch der Frischling in der Truppe schlug sich einfach famos: Wie Marcel Hochstrasser sein Schlagzeug mal streichelt, mal traktiert – das ist schon erstklassig. Und sein Solo bei „Stayed on Jesus“ (bei dem seine Drums als einziges Instrument den Gesang begleiten) avancierte auf der Facebook-Seite unserer Zeitung zum Hit. Zu Recht.

Den Gospel im Blut – den hat Tommie Harris. Er stammt aus Birmingham. Nicht in England. Sondern in Alabama. Einem jener US-Südstaaten, in denen die Rassentrennung besonders schlimm war. Und so kennt er alles, was in diesen Liedern beklagt wird (die Ungerechtigkeit, die Armut, die Selbstzweifel, das Gefühl der Wertlosigkeit), aber auch alles, was darin gepriesen wird (die Kraft des Glaubens, die Wunder im alltäglichen Leben, den Beistand in seelischer Not) nicht nur aus eigener Anschauung, sondern auch aus eigenem Erleben. Vermutlich ist es das, was seinen Gesang so faszinierend macht: Dass er nicht nur authentisch wirkt, sondern es auch ist.

Last but not least: der Spiritus rector dieses Ensembles. Dirk Raufeisen versteht es, sowohl die Tradition des Gospel hochzuhalten als auch die modernen Strömungen mit einzubeziehen. Und all die Songs mit seinem Keyboard-Spiel zu adeln. Denn dann verschwimmen und verschwinden die Grenzen der Genres, dann ist man überzeigt, dass der Boogie, den der Direktor des Hotel Belle Epoque in der Schweizer Hauptstadt Bern (das ist er nämlich auch noch) so zelebriert, dass man nicht den geringsten Zweifel daran hat, dass er zu den besten Pianisten dieses Musikstils zählt, schon seit eh und je zum Gospel gehört.

Und alle sieben machen einem gemeinsam ein wundervolles Geschenk: Dass man als Zuhörer im Herzen spürt, dass jedes Mal, wenn die Liebe den Hass, das Licht das Dunkel und die Hoffnung die Angst überwindet, Weihnachten ist.

Nicht nur am 24. Dezember. Sondern an jedem Tag, an dem man diesen Dingen eine Chance gibt.

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