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Dem Terror der Taliban entkommen

In einer Nacht-und-Nebel-Aktion gelang einer Familie im Jahr 2000 die Flucht aus Afghanistan

Von Deutschland wussten Amar N. (der volle Name ist den Verfassern bekannt) und seine beiden Geschwister nichts, als die Familie vor den Taliban flüchten musste. Den Schleppern ausgeliefert, begann eine zwei Jahre andauernde Odyssee durch verschiedenste Länder, die die Familie 80 000 Euro gekostet hat.

Kürzlich war Amar N. zu Gast bei der Klasse 8a der Ludwig-Uhland-Schule Wendlingen. Die Schülerinnen und Schüler durften ihn befragen, hier ihr Text:

Zunächst berichtete Amar N. über die politische Lage in Afghanistan; seit über 30 Jahren herrschen dort Krieg und Diktatur. Im ganzen Land terrorisieren die Taliban die Bevölkerung und man lebt in ständiger Angst, denn fast jeder ist bewaffnet. Die Infrastruktur ist zerstört, es gibt kaum Straßen. Die Kinder, vor allem die Mädchen, können keine Schulen besuchen, denn die Taliban sind sehr bildungsfeindlich.

Dies bekamen auch die Eltern von Amar N. zu spüren, denn die Mutter war Lehrerin und der Vater Richter. Es gab jetzt neue Regeln: nun war es verboten, Mädchen und Frauen zu unterrichten, auch der Vater geriet unter Druck. Zunächst, so erzählte Amar N., gab es „Ermahnungen“. Wurden diese nicht befolgt, kam es zu „Handlungen“. Als Bekannte und Verwandte umgebracht wurden, entschlossen sich die Eltern zur Flucht.

Als Kind wurde Amar nicht in den Fluchtplan eingeweiht, ebenso wenig seine beiden Geschwister. Es wurde alles aufgegeben und die Familie nahm nur das Nötigste mit, ein paar Kleidungsstücke, etwas zu essen und vor allem genügend zu trinken.

Zwei Jahre war die Familie auf der Flucht und wurde dabei durch folgende Länder geschleust: Pakistan, Iran, Kasachstan, Turkmenistan, Russland, Ukraine, Polen und schlussendlich nach Deutschland.

Auf der Flucht waren sie den Schleppern und Schmugglern beständig ausgeliefert, denn die wollten nur Geld, die Menschen aber waren ihnen egal. Die Familie geriet öfters in lebensgefährliche Situationen, zum Beispiel wurden sie von Schleppern einen ganzen Tag in der Wildnis ausgesetzt, bis sie wieder weiterziehen konnten.

Zum Glück konnten sie während der Flucht mit Bekannten in Deutschland Kontakt halten. Drei Jahre hat es dann wieder gedauert, bis in Deutschland der Asylantrag genehmigt wurde; während dieser Zeit musste die Familie oft die Unterkunft wechseln und in ein weiteres Asylheim umziehen.

Amar N. erinnert sich noch, dass regelmäßig ein großer Lastwagen vor das Asylheim gefahren kam, in welchem viele verschiedene Lebensmittel geladen waren. Die Eltern konnten dann für sich und ihre Kinder etwas zu essen raussuchen. Bezahlen mussten sie nichts, weil man damals noch kein Geld vom Staat bekam.

Mit acht Jahren besuchte dann Amar die Grundschule. „In der ersten Zeit lernte ich ,Asylantendeutsch‘, in der Schule dann aber richtiges Deutsch.“ Er machte den Werkrealschulabschluss und wechselte auf das Technische Gymnasium in Vaihingen. Momentan studiert Amar im dritten Semester Maschinenbau in Karlsruhe.

Er hat vor, eine Familie zu gründen, aber jetzt steht erst einmal das Studium im Vordergrund. Es wäre für ihn eine Option, wieder nach Afghanistan zurückzukehren, wenn sich die politische Lage bessern würde, denn dieses Land braucht vor allem Schulen.

Zum Schluss gab Amar den Schülern noch einen Tipp: Er betonte, dass er heute sehr froh ist, in Deutschland leben zu dürfen, da sich ihm hier sehr große Weiterbildungsmöglichkeiten eröffnen. Dies sei ein unschätzbares Gut, denn in Afghanistan gibt es eine Analphabeten- Quote von 85 Prozent, in Deutschland gibt es dagegen viele Bildungsmöglichkeiten.

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