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Als Schüler wollte der Bankchef Lehrer werden

Burkhard Wittmacher, der Vorstandsvorsitzende der Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen, war Gast bei der Schüler-Pressekonferenz mit MPG-Neuntklässlern

Burkhard Wittmacher (links im Bild mit Moderator Andreas Warausch) stand den MPG-Schülern Rede und Antwort. Foto: Holzwarth

Zum Projekt-Alltag bei „Zeitung in der Schule“ gehört es, dass die Schüler in die Rolle von Reportern schlüpfen. So auch gestern wieder. Zu Gast bei der Schüler-Pressekonferenz mit der Klasse 9c des Nürtinger Max-Planck-Gymnasiums war im NZ-Stadtbüro am Obertor Burkhard Wittmacher, der Vorstandsvorsitzende der Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen.

NÜRTINGEN. Dass die Kreissparkasse ein guter und verlässlicher Partner bei allen Kinder- und Jugendprojekten der Nürtinger/Wendlinger Zeitung ist, hat Tradition. Von Anbeginn an. Deshalb war es für Burkhard Wittmacher auch keine Frage, ob er sich den Fragen interessierter Schüler stellen würde. Gut präpariert rückte die 9c mit ihrer Lehrerin Corinna Locke denn auch am Obertor an. Wittmacher beantwortete die Schülerfragen kompetent und sympathisch. Die großen Zusammenhänge zwischen Finanz- und Politikwelt stellte er anschaulich dar.

Alles hängt zusammen. Gesellschaft und Geld. Banken, Wirtschaft, Politik. Das zeigte sich in den Antworten des Volkswirts, der seit bald drei Jahren die Geschicke des großen Kreditinstituts lenkt. Ob er auch ein Konto bei der Kreissparkasse habe, wollte ein Schüler wissen, und dem Bankchef entlocken, ob es woanders höhere Zinsen gebe. Klar hat er eines. Überhaupt gebe es nirgendwo höhere Zinsen. Und wie entwickeln sich die Zinsen in den nächsten drei Jahren? Die Wahl Trumps zum US-Präsidenten könnte, wenn denn dieser versprochene Programme umsetze, auch steigende Zinsen in Europa zur Folge haben, so Wittmacher. Diesseits des Atlantiks gebe es da aber Grenzen: Hoch verschuldete südeuropäische Länder könnten zu hohe Zinsen nicht zahlen.

Wittmacher erklärte den Schülern auch, warum Zinsen steigen und fallen: „Sie sind der Preis für das Geld.“ Angebot und Nachfrage regeln den Preis. Die Europäische Zentralbank habe Geld in den Markt gepumpt. Firmen sollen leichter Kredite bekommen, das Wachstum soll steigen. Deutschland kritisiere das. Finanzminister Schäuble setze auf eisernes Sparen, denn zu geringe Zinsen seien kein Anreiz, um Schulden abzubauen. Dabei stellte Wittmacher klar: „Die Volkswirtschaft ist keine Naturwissenschaft.“ Wer eingreife, experimentiere immer am lebenden System.

Burkhard Wittmacher: Sympathischer Talkgast

Doch es gebe auch andere Theorien. Wittmacher: „Alleine mit Sparen lösen wir die Probleme nicht.“ In Spanien, Italien oder Griechenland sei die Jugendarbeitslosigkeit unerträglich hoch. Es sei nur fair, diesen Ländern zu helfen: „Alleine schaffen die das nicht.“ Zur Jahrtausendwende, bis zu Schröders Agenda 2010, sei Deutschland noch der europäische Patient gewesen, ließ Wittmacher die Schüler in die jüngere europäische Geschichte blicken.

Überhaupt Europa. Den Brexit hält Wittmacher auf Frage eines Schülers für einen großen Fehler. Die Kampagne der EU-Gegner sei verlogen gewesen. Frankreich, Polen, Ungarn – ein Domino-Effekt wäre furchtbar. Die EU sei eine weltweit einmalige, tolle Leistung. Und Deutschland habe große Vorteile – nicht nur wirtschaftlich. In diesem Zusammenhang sprach Wittmacher mit den Schülern auch über das sogenannte „postfaktische Zeitalter“, über die Rolle der sogenannten sozialen Medien und die Gefahren, die davon ausgehen.

Klar, da war es doch nur noch ein kleiner Schritt zur Wahl Donald Trumps. Auch da ist Wittmacher in seinem Element. Von 1998 bis 2001 hat er für die Landesgirokasse in New York mittelständische Firmen aus der Region, die Niederlassungen in den USA haben, betreut. Eine wichtige Erfahrung in seinem Leben. Spannend war das, der Wechsel von Wolfschlugen nach Manhattan habe seinen Horizont entscheidend geweitet.

Hätte er wählen dürfen, hätte er freilich Hillary Clinton den Vorzug gegeben bekannte er, und referierte als Volkswirtschaftler mit dem Schwerpunkt Amerikanistik und Politikwissenschaft über das „anachronistische Wahlsystem“ der Amerikaner.

Als Führungspersönlichkeit fördert er Eigenverantwortlichkeit

Dabei zeigte er, dass er auch gemäß seines einstigen Berufswunsches ein guter Lehrer gewesen wäre. Bei der Gelegenheit versäumte er es auch nicht, mit den jungen MPGlern zu fachsimpeln. Schließlich hat er selbst an ihrer Schule das Abitur abgelegt. „Eine tolle Schule“, sagt er, in die er immer gerne gegangen sei. Und manchen seiner Lehrer kennen die gegenwärtigen Schüler auch noch.

Wie denn eigentlich sein Führungsstil aussehe, wollte Lehrerin Corinna Locke wissen. Er wolle der Kapitän auf der Brücke sein, wolle den Überblick behalten. „Abends ölverschmiert aus dem Maschinenraum der KSK nach Hause“, das sei nicht sein Verständnis von Führung. Eigenverantwortung zu fördern bereite Spaß und mache das Unternehmen produktiver. Sich in vieles nicht einzumischen bedeute aber auch, dass man Fehler tolerieren müsse. Auch ihn habe auf seinem Berufsweg das Zutrauen geprägt, das andere zu ihm hatten. So habe er an seinen Aufgaben wachsen können. Heute ist er als Chef für das große Ganze verantwortlich. Kümmert sich um strategische Fragestellungen. Was das ist? Wittmacher nannte als Beispiel die Digitalisierung, die es gerade im Sinne der Zuwendung zu jungen Menschen und Kunden voranzutreiben gelte.

Und jenseits der Bank? Jenseits seiner beruflichen 60- bis 70-Stunden-Woche? Dass er bisweilen wenig Zeit für seine Familie – er ist Vater zweier Kinder – habe, sei der einzige Nachteil seines Berufs, den auszuüben er als Privileg empfinde. Am Wochenende läuft er manchmal. Spielt Golf, statt wie früher Fußball. Hat er Zeit, liest er viel. Geschichtliche Bücher, Biografien. Auch auf Englisch, sagt der Bankchef, der als sein Vorbild den verstorbenen Altkanzler Helmut Schmidt bezeichnet – weil dieser so gut die Welt habe erklären können. Dass er da seinem Vorbild erfolgreich nacheifert, hat er gestern bewiesen.

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