Leserbriefe

Überwindung statt Härte

Kai Hansen, Nürtingen. Zu den Leserbriefen „Neue Impulse gegen Politikverdrossenheit“ und „Kompromiss vor Kampfabstimmung“ vom 10. Juni. Als Nürtinger Bürger habe ich mich gefreut, als die Broschüre kam zum Bürgerentscheid über die nötige Anschlussunterbringung für Geflüchtete. Die gelieferte Information war um Klassen verständlicher als die tendenziös-irreführende zur Finanzierungsgrenze des Bahnprojekts Stuttgart21.

Lernen wir gerade etwa, dass ein von politischen Eigeninteressen gelenkter Umgang mit Bürgers Stimme denjenigen Kräften Auftrieb gibt, die sich von unserem politischen System abwenden und in autoritär polarisierender Weise sehnen nach trügerischer Bequemlichkeit und Ordnung?

In Nürtingen konnte nun jede Seite, der Gemeinderat und die Bürgerinitiative, ihre Sicht der Dinge darstellen, und die Bürger sollen nun entscheiden, wer ein Mandat für seine Lösung erhalten soll. Ich dachte anerkennend: Sieh an.

Ich möchte mich an dieser Stelle für die Leserbriefe von Herrn Främke und besonders den von Klaus Nägele bedanken. Ich lerne gerade, Demokratie neu zu denken. Denn mir wurde klar, dass ein simples Ja oder Nein eine Gewinner- und eine Verliererseite erzeugt. Das frustriert und verhärtet. Dabei wollen wir doch friedlich das bestmögliche Miteinander erreichen. Es wäre schade, wenn die guten Gründe oder Einwände der jeweils anderen Seite verloren gingen, denn die gibt es zweifelsfrei. Also käme eine schlechtere Lösung zustande, als wenn man sich die Zeit nähme, einen Konsens herzustellen. Das verlangt Überwindung statt Härte. Ich beginne zu begreifen, dass das demokratische Miteinander anders möglich ist und sich gerade rasant entwickeln will – zu unser aller Nutzen. Auch wenn das ungewohnt und mühevoll erscheint.

Es wäre gut, wenn möglichst viele Bürger wählen gehen und diejenigen Wahlentscheidungen, die gewöhnlich als ungültig gelten, ernst genommen werden. Sie enthalten ein Votum für ein weiteres Sich-Zusammensetzen und beraten zu eben der bestmöglichen Lösung. Und ich würde mich freuen, wenn dadurch ein lebendiges einvernehmliches Miteinander in unserer Stadt mehr und mehr das Klima prägte.

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