Leserbriefe

Stuttgart 21 und die Volksabstimmung

Marc Sink, Oberboihingen. Zum Artikel „Stadt, Land und Region bleiben auf S-21-Kurs“ vom 15. Februar. Immer wieder wird die Volksabstimmung als Basis für den Weiterbau hervorgehoben. Das Abstimmungsergebnis wurde allerdings aufgrund einer Reihe gravierender Falschaussagen erwirkt und hat infolgedessen keine Gültigkeit. So wurde damals der Kostendeckel immer wieder mit 4,5 Milliarden Euro bestätigt. Auch die Ausstiegskosten von 1,5 Milliarden Euro wären für „nichts“, dies erscheint völlig unplausibel. Sollten etwa schon vor Baubeginn ein Drittel der Kosten für den Abbruch des Projekts anstehen? Eine solche Summe wäre nur bei extrem unseriös wirtschaftenden Projektbetreibern beziehungsweise erpresserisch hohen Vorabinvestitionen und sittenwidriger Vertragsgestaltung mit künftigen Auftragnehmern denkbar.

Der tatsächliche Ausstiegsbetrag belief sich damals auf 350 Millionen Euro. Eine weitere Aussage war der „Nachweis“ der Leistungsfähigkeit durch den Stresstest. Die CDU und die SPD schrieben in der Volksabstimmungsbroschüre: „S21 hat den Stresstest bestanden und ist damit als leistungsfähiger Bahnknoten bestätigt worden“. Ministerpräsident Kretschmann akzeptierte den Stresstest schon einen Tag nach seiner Veröffentlichung und viele Monate vor dem Abschluss durch den finalen Simulationslauf.

Weitere entlarvte Aussagen waren, dass die Elektrifizierung der Südbahn, der Ausbau von Gäubahn und Rheintaltrasse von S 21 abhängig wären. Die Volksabstimmung (zum Kündigungsgesetz) litt darüber hinaus an zwei weiteren gravierenden Geburtsfehlern: Das Quorum in BW ist nahezu unerreichbar hoch und wurde dementsprechend auch klar verfehlt. Das Kündigungsgesetz war mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtlich unzulässig. So fand die Volksabstimmung (aus Sicht der Befürworter) mit einem doppelten Netz statt. Selbst wenn die Abstimmung verloren sein sollte, waren die Chancen hoch, dass das Quorum verfehlt wird. Auch im äußersten Fall wäre die Abstimmung mit hoher Wahrscheinlichkeit nachträglich von den Gerichten kassiert worden.

Nach diesem Ergebnis wurde die Volksabstimmung zur ultimativen demokratischen Legitimation des Projekts erhoben. Andere Volksabstimmungen hingegen wurden, selbst wenn sie nicht auf falschen Aussagen basierten, sehr wohl wiederholt. Nach Kretschmanns Aussage sei es so, dass in der Demokratie die Mehrheit gewinnt und nicht die Wahrheit, egal wie ein Abstimmungsergebnis erzielt wurde. Auch zeigt diese Volksabstimmung, dass im bestehenden System die Chancengleichheit nicht gewährleistet ist, sondern wer ein hohes Werbebudget hat, der auch ergebniswirksam manipulieren kann. Oben bleiben!

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