Leserbriefe

Ratlosigkeit in Paris und in Berlin?

Joachim Panzer, Erkenbrechtsweiler. Zu den Artikeln „Paris reformiert Arbeitsmarkt per Dekret“ vom 11. Mai und „Jetzt beginnt der Protest auf den Straßen“ vom 13. Mai. Die Meldung „Paris reformiert Arbeitsmarkt per Dekret“ lässt aufhorchen. Versucht sich doch die französische Regierung unter Umgehung des Parlaments, zumindest jedoch mit einer verfassungsrechtlich möglichen Notverordnung, in einer Arbeitsmarktreform, deren Ergebnisse großen Teilen der französischen Öffentlichkeit mit Blick auf Deutschland bekannt sind: Lohndumping, Altersarmut, ungerechte Leiharbeit. Gerade versucht die Partei der Arbeit in Deutschland den Arbeitnehmer wiederzuentdecken, indem sie, nach großen Wahlverlusten, Teile der durch die rot-grüne Schröder-Regierung initiierten Arbeitsmarktreform wieder rückgängig macht.

Trotz jahrelanger berechtigter Klagen von Gewerkschaften und Wohlfahrtsverbänden über die negativen sozialen Folgen dieser Arbeitsmarktreform bedurfte es erst eines Rechtsrucks der Bevölkerung, um in den Parteien ein Umdenken zu bewirken. Leider steht zu befürchten, dass dieses Umdenken die Rechtsorientierung von Teilen der deutschen Gesellschaft nicht mehr aufzuhalten vermag, weil für diese Rechtsorientierung noch andere Ursachen gelten. Selbst neoliberal eingestellte Gesellschaftskreise müssten jedoch inzwischen erkannt haben, dass die in großen Teilen gescheiterte Schröder’sche Arbeitsmarktreform aus dem Bundeshaushalt „nachfinanziert“ werden muss, will man künftig soziale Unruhen zum Beispiel wegen Altersarmut und einem damit verbundenen radikalisierten Wählerverhalten vermeiden. Es erhebt sich letztendlich auch die Frage, ob sich Deutschland und Frankreich und die Staaten der EU mit einer falsch verstandenen Globalisierung nicht übernommen haben. Falsch verstanden deshalb, weil Regierungen noch immer glauben, der Mensch sei eine Manövriermasse, die man nur den Marktgegebenheiten anzupassen braucht.

Deshalb jedenfalls scheinen Diktaturen, zum Beispiel China, dieser Art der Globalisierung besser gewachsen zu sein als Demokratien, deren Grundfesten ohne ausreichende soziale Standards erschüttert werden. Beiderseits des Rheins, in Paris und Berlin, herrscht darüber wohl eher Ratlosigkeit.

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