Leserbriefe

Bildungszentrum im Hölderlinhaus

Barbara Leib-Weiner, Nürtingen. Wenn die Nürtinger Bürger sich zur Gestaltung des Hölderlinhauses äußern und mitdenken sollen, ist es nicht unverständlich, dass es eine dem Beschluss des Stadtrats entgegenstehende Meinung gibt. Und das aus verständlichen Gründen. Das Hölderlinhaus war ein Wohnhaus, als solches außergewöhnlich groß. Aber doch das Haus, das der Familie Duttenhofer, dann der Familie Hölderlin als Wohnhaus diente und nicht in Größe und Wucht mit dem Lehrerseminar konkurrierte. Erhöht man das jetzt schon nach allen Umbauten sehr dominante Haus um über zwei Meter und setzt ihm wieder das einstige schöne, aber ausladende Walmdach auf, wird es als Wohnhaus unglaubwürdig. Wie in vielen vergangenen Jahren wird wieder jeder, der das Haus einem interessierten Besucher zeigt, sagen müssen: Das ist das Hölderlinhaus – und ist es doch nicht! Denn wer das Hölderlinhaus besucht, will zunächst der wahren äußeren Gestalt des einstigen Wohnhauses begegnen; er will dann sehen, aus welchem Zimmer im Dach Hölderlin auf die Alb blickte. Deshalb sollte das Haus möglichst so aussehen, wie es einst war. Auch wenn das Haus innen modernen Anforderungen angepasst wird. Auch wenn die umgebenden Häuser anderes Ausmaß haben als einst. Sogar in hochhausdominierten Städten zum Beispiel Amerikas und Chinas sind die heute klein erscheinenden Kirchen oder Tempel touristische Schwerpunkte.

Weder der Begriff „Nürtinger Bildungszentrum“, der viele trunken macht, noch das Schlagwort „Belebung der Innenstadt“ geben der Erhöhung Sinn. Die Erhöhung war einst schmerzhaft, aber zu rechtfertigen, als man ein Schulhaus zu Fuß erreichen musste. Heute kommen die meisten erwachsenen Schüler nicht zu Fuß, sondern sie beleben die Innenstadt auf der Suche nach Parkplatz. Und die Verwaltung der VHS zieht gewiss keine Besucherströme an. Gerade weil das Stadtinnere eng ist, sind die meisten Bildungseinrichtungen für Erwachsene an die Peripherie der Stadt gerückt. Von einem „Scheitern“ der Bildung in Nürtingen kann man deshalb nicht sprechen – im Gegenteil, die Bildung floriert.

Es sollte ein Anliegen Nürtingens sein, das Haus, in dem Hölderlin, der weltweit berühmte Nürtinger, seine wichtigsten Lebens- und Schaffensjahre verbrachte, die einzige noch weitgehend authentische Station seines Lebens so historisch getreu als möglich zu gestalten. Sie nicht dem Bedarf des Augenblicks zu opfern, sondern sie der Zukunft in glaubwürdiger Dimension zu erhalten. Vielleicht wird Nürtingen einst dem Hölderlin-Verein dafür danken, dass er, auch wenn er die gleichen wertvollen Ziele wie Professor Dr. Roos vertritt, nicht glauben macht, ein Stockwerk mehr erst gäbe Hölderlin für Nürtingen die angemessene Bedeutung.

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