„Ferrari“ auf Amazon Prime: Etwas runter vom Gas bitte

Netz G’schwätz: Das Biopic über Enzo Ferrari von Star-Regisseur Michael Mann nimmt sich viel vor. Etwas zu viel, findet unser Redakteur.

Adam Driver als Enzo Ferrari. Foto: Prime / Lorenzo Sisti

„Gebt einem Kind ein Blatt Papier sowie Farben und sagt ihm, es soll ein Auto malen. Es wird garantiert zum roten Stift greifen“, war Enzo Ferraris Überzeugung. Er hatte nicht ganz unrecht. Denn auch viele Jahre nach dem Tod des Visionärs ist die nach ihm benannte Marke der legendärste Autohersteller überhaupt. Und ein Ferrari ist, na klar: rot.

Kein Wunder, dass sich Hollywood seit Jahren an dem Material rund um die Scuderia abarbeitet. Zuletzt meisterlich in „Ford vs. Ferrari“, der sogar eine Oscar-Nominierung als bester Film einheimste. Nun erzählt Regisseur Michael Mann (Heat, Thief) das Drama auf und neben der Straße bei der Mille Miglia 1957.

Ein Leben zwischen Cockpits und Mätressen

Die fand in einer Zeit statt, in der es Ferrari nicht besonders gut ging. Enzo (Adam Driver) sah sein Unternehmen als Rennstall, der nebenher Straßenautos baute. Entsprechend dürftig war der Cashflow. Persönliche Krisen drohten sich ebenfalls auf die Firma auszuwirken. Enzo und seine Frau Laura (Penélope Cruz) haben kürzlich ihren Sohn zu Grabe getragen. Der Ferrari-Gründer ist zudem in ähnlich vielen Betten wie Cockpits unterwegs und verbringt reichlich Zeit mit seiner Geliebten Lina Lardi sowie dem gemeinsamen unehelichen Sohn Piero.

Das verrückt den Haussegen im Hause Ferrari verständlicherweise ziemlich. Blöd, dass Laura eine wichtige Geschäftspartnerin ist und damit droht, aus Rache das Unternehmen zu zerstören. Nebenher ist Enzo in seiner Rennfahrer-Ehre gekränkt, weil Nachbar Maserati einen Rekord nach dem anderen bricht und droht, davonzuziehen.

Als Heilsbringer aus der Misere wird das Traditionsrennen Mille Miglia gesehen, das für ordentlich PR sorgen soll. Enzo schart eine Reihe verdienter und vielversprechender Rennfahrer um sich und fährt, so wird es dargestellt, um nichts Geringeres als um die Zukunft Ferraris. Das Rennen endet bekanntermaßen sowohl in großem Triumph als auch in großem Drama.

Etwas Fokus täte gut

Falls das nun nach ziemlich vielen Handlungssträngen klingt: So fühlt es sich auch an. Das Biopic scheint nicht ganz zu wissen, was es sein möchte: Ein Familiendrama, ein Rennfilm, eine Charakterstudie oder ein Arthouse-Film über die Midlife-Crisis eines Mannes, der sich statt Cabrios zu kaufen einfach selbst welche baut.

Von jeder einzelnen dieser Richtungen gibt es grandiose Passagen. Wenn Cruz und Driver aufeinander losgehen, muss man sich darüber empören, dass die Spanierin bei den Oscar-Nominierungen in diesem Jahr leer ausging. Auch Drivers Talent blitzt hier und da hervor, wenn er nicht gerade hinter der Sonnenbrille und Enzos stoischer Persona verschwindet. Und wenn die klassischen Ferraris durch die Landschaft der Emilia-Romagna heizen, erinnern die Aufnahmen an Rennfilm-Meilensteine wie „Le Mans“.

Ein Biopic mit einigen Freiheiten

Am Ende ist es jedoch von allem zu viel und von allem zu wenig. Beim Start des Abspanns überkommt einen das Gefühl, dass hier mehrere gute Filme versteckt waren, man aber am Ende stattdessen einen sehr mittelmäßigen gesehen hat. Bei der doch ziemlich verdichteten Geschichte kommt der gut besetzte Cast nur selten zum Glänzen. Manche Charaktere wirken gar so zweidimensional, dass es dem Zuschauer sogar egal ist, wenn sie gegen einen Baum fahren.

Dass die vielen Handlungen überhaupt irgendwie zusammenfinden, ist allein den Freiheiten zu verdanken, die sich Michael Mann und Autor Troy Kennedy Martin beim Drehbuch genommen haben. Die Finanzierungsfrage und der etwaige Einstieg Agnellis oder Fords fand Jahre später statt als dargestellt. Auch der Umgang Lauras mit Enzos unehelichem Sohn war tatsächlich nicht so wie im Film. Ein wichtiges Detail konnte dann aber auch Hollywood nicht ändern. Das Auto ist, na klar: rot.

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