Licht der Hoffnung

Erst lachen, dann nachdenken

Licht der Hoffnung: Heute tritt der Kabarettist Fatih Çevikkollu in Beuren auf – Im Interview gibt er einen kleinen Vorgeschmack auf seinen bissigen Humor

Der heutige Samstagabend verspricht in der Kelter in Beuren bissiges und urkomisches Kabarett, wenn Fatih Çevikkollu ab 20 Uhr sein Soloprogramm „Fatih Morgana“ präsentiert. Das wird beim Interview deutlich, das wir im Vorfeld mit dem 47-jährigen Kölner mit türkischen Wurzeln geführt haben, der ab 1999 durch seine Auftritte als Murat in „Alles Atze“ bekannt wurde.

Am Samstagabend treten Sie in der Kelter in Beuren auf. Haben Sie schon mal was von Beuren gehört oder waren Sie sogar schon einmal in der Gegend rund um Nürtingen?

Beuren höre ich zum ersten Mal und klar dachte ich zuerst, fehlt da nicht ein „Kauf“ davor? Aber nein, hier fehlt nichts. Wir sind ja auch nicht Bayern, sondern in BaWü. Den Bayern fehlt ständig was. Ich habe mal vor langen, langen Jahren in Nürtingen gespielt, das war im Sommer irgendwo im Open Air. Es war die Nacht, in der Michael Jackson gestorben ist. Die Nachricht breitete sich aus wie ein Lauffeuer. Wir standen an der Theke nach der Vorstellung, tranken ein Bier und plötzlich sagte einer: Michael J. ist tot! Da haben wir dann erst mal einen drauf getrunken. Und dann den Kondolenzkrug kreisen lassen. Ich hoffe, wir verlieren nach meinem Gastspiel nicht noch so eine Popgröße des Musikgeschäfts. Ich weiß jetzt gar nicht, wer dafür in Frage kommen könnte. Muss ich mal überlegen. Maffay vielleicht?

Warum heißt Ihr Programm Fatih Morgana?

Das Programm heißt so, da es sichtbar macht, was nicht besprochen wird. Wenn einen heutzutage das Gefühl beschleicht, da stimmt doch was nicht, wenn gesagt wird, das ist doch eine Verzerrung der Situation in eine bestimmte und manchmal sogar unheilvolle Richtung, dann haben wir es in den meisten Fällen mit einer Fatih Morgana zu tun. Wenn das Offensichtliche nicht besprochen wird und das Besprochene nicht offensichtlich ist.

Was werden Sie thematisieren?

Der Grundgedanke sind genau diese Fatih Morganen. Wie lautet eigentlich der Plural von Fatih Morgana? An dieser Stelle eine Einladung an die Leser, in dieser Frage ihr Wissen oder Unwissen mitzuteilen. Ich gehöre eindeutig zu der Gruppe der nicht Wissenden. Fatih Morgana behandelt die drängenden Fragen unserer Zeit: Umwelt, Digitalisierung und Migration. Mein Programm ist eine Einladung zum Perspektiv-Wechsel. Gut, den bieten viele andere auch an. Aber bei mir wird auch noch damit und darüber gelacht. Das hat man auch nicht jeden Tag.

Wie kommen Sie auf die Ideen für Ihr Programm?

Ich bin da wie eine Bank, meine Ideen entstehen aus dem Nichts. Das Erlebte und Gelesene hilft ungemein. Wenn ich zum Beispiel in dieser Zeitung lese, dass in Beuren eine Heimat für 30 Zauneidechsen gebaut wird, dann freut mich das. Vielleicht könnte man ja die reiche Badekultur in der berühmten Beurener Therme auch noch um eine weitere Attraktion bereichern und die 30 Zauneidechsen in die Therme setzen. Das wäre zweifelsohne eine Attraktion, die Therme würde zum Terrarium erweitert und die Gäste würden sich nicht mehr so alt und faltig vorkommen, wenn sie diese Zauneidechsen sehen. Wenn die Zauneidechsen ihren Namen eher daher haben, dass sie am Zaun stehen und gucken – also praktisch die Gaffer unter den Reptilien sind –, müsste man überlegen, ob man die armen Tiere solchen Anblicken aussetzt. Ich gebe zu, nicht jedes Thema und jede Idee ist auch brauchbar.

Wollen Sie die Leute zum Lachen bringen oder eher zum Nachdenken?

Es ist mir ein Anliegen, die Leute zum Lachen zu bringen. Wenn ich mir dann anschaue, womit ich sie zum Lachen bringen will, dann kommt das Nachdenken ganz von alleine. Ich finde die Kombination von beidem sehr angenehm. Nachdenken kann anstrengend sein, manchmal sogar unangenehm. Wenn dann nicht ein rettender Lacher kommt, ist es unausstehlich und es sinkt die Lust, zuhören zu wollen. Deswegen ist das erste Gebot: Erst lachen, dann nachdenken. Der Lacher verhallt am Abend und die Gedanken wirken über den Abend hinaus.

Ist das Programm immer gleich oder wird es für jeden Auftritt etwas aktualisiert?

Das Programm wird natürlich ständig aktualisiert und angepasst, es passieren politisch und gesellschaftlich immer wieder interessante und merkwürdige Sachen. Dass Merz jetzt zum dritten Mal Parteivorsitzender werden will, nachdem er schon zweimal gescheitert ist, ist schon bemerkenswert. Ich frage mich bei ihm: Warum macht er das? Vielleicht wird er ja von seinem Arbeitgeber dazu gezwungen? Blackrock würde sicher gerne den Kanzler in Deutschland stellen. Die sind in der Wirtschaft weltweit und auch in Deutschland sehr stark und von da ist es ja nur noch eine Spuckweite zur Politik.

„Atze Schröder macht Volksmusik und ich mache Jazz“

Comedian Fatih Çevikkollu

Wie sind Sie zur Comedy gekommen?

Zur Comedy bin ich über Atze Schröder gekommen. Bei ihm habe ich das aus nächster Nähe gesehen und bewundert. Und als ich dann selber auf die Bühne bin, sagten viele, das sei Kabarett. Wir könnten es auf die einfache Formel bringen: Atze Schröder macht Volksmusik und ich mache Jazz. Ich glaube, jeder hat Spaß auf seinem Feld.

Waren Sie vorher in anderen Ressorts tätig, zumal Sie ja eine Schauspielausbildung absolviert haben?

Ich habe lange Jahre am Schauspielhaus in Düsseldorf als Ensemblemitglied gespielt. In dieser Zeit habe ich in unzähligen Stücke gespielt, von modernen zu klassischen bis hin zur Antike.

Sind die Zuschauer bei Ihren Auftritten in Köln anders als im Schwabenland?

In Köln ist es immer ein Heimspiel und die Stimmung ist toll, egal, was man erzählt. Im Schwabenland legt man – wie es mir scheint – mehr Wert auf Inhalte. Schade ist, wenn man vor lauter Inhalten nicht mehr zum Lachen kommt. In Stuttgart habe ich die besten Erfahrungen gemacht; ich denke, das wird in Beuren nicht anders werden.

Sind Sie als Kabarettist froh, dass heute Politiker wie Trump und Erdogan im Rampenlicht stehen, die für jede Menge Themen sorgen?

Das sind nur die offensichtlichen Figuren, die auch noch weit weg sind. Spannender finde ich es immer, wenn es gelingt, eine Verbindung zu uns hier herzustellen. Klar, Trump hat mit seiner Entscheidung, die Truppen aus dem Norden Syriens abzuziehen, den Weg frei gemacht für einen weiteren Krieg an der syrischen Grenze. Die Türken marschierten daraufhin ein und machen das mit deutschen Waffen. So weit, so bekannt. Was jetzt passiert ist, dass die deutsche Politik sich echauffiert, diese Angriff auf das Schärfste verurteilt – was die Türken übrigens bestimmt mächtig beeindruckt hat – und dass die deutsche Wirtschaft auf das Erfreulichste abkassiert. Das ist ein klassisches Duo: good cop – bad cop. Und das ist alles nichts Neues. Trump bringt jetzt eine ganz neue Figur ins Feld, und die heißt: „doofkop“. Wenn man mal ein bisschen den Blickwinkel erweitert, die Perspektive wechselt, wird es gleich lustig.

Für die heutige Kulturveranstaltung zu Gunsten der Aktion „Licht der Hoffnung“ unserer Zeitung gibt es noch Eintrittskarten an der Abendkasse sowie bis 14 Uhr im Vorverkauf im Stadtbüro der Nürtinger Zeitung, Am Obertor 15, Telefon (0 70 22) 94 64-150.

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