Leserbriefe

Ein Verbrechen an der Menschlichkeit

Dr. Horst-Helmut Krause, Nürtingen. Zum Artikel „Getrennt“ vom 20. Juni. Unsagbar und unvorstellbar unmenschliche Grausamkeiten an Kindern an der mexikanisch-amerikanischen Grenze haben am 18. Juni die bundesdeutsche Medienlandschaft erreicht. Nach einer Google-Recherche hat erstmals ZEIT-Online davon berichtet, dass ‚seit einigen Wochen‘ häufig Kinder von ihren Eltern getrennt werden, wenn sie illegal in die USA kommen. In der Nürtinger Zeitung vom 20. Juni ist die Nachricht über die staatlich verordnete Grausamkeit eines Staates, mit dem Deutschland in einer behaupteten Wertegemeinschaft lebt, unter anderem durch Überlegungen zur Erhebung von Eintritt zum Silvesterfeiern auf dem Stuttgarter Schlossplatz und angeblich zu teure Medikamente in Apotheken auf Seite 3 verdrängt. Dort ist dann immerhin zu lesen, dass diese Verbrechen bereits seit April dieses Jahres verübt werden. Und von den großen Kirchen unseres Landes ist nichts als schreiende Stille zu vernehmen. Dabei muss man nicht einmal Christ sein, um über diese Verbrechen entsetzt zu sein.

Hier addieren sich gleich zwei Skandale: Der erste Skandal ist das Verbrechen an der Menschlichkeit selbst, wissentlich und willkürlich ausgeübt durch einen ‚befreundeten‘ Staat, nämlich die Vereinigten Staaten von Amerika.

Der zweite Skandal ist, dass unsere Medien Berichte darüber erst mit mehrwöchiger Zeitverzögerung liefern. Hier stellen sich gleich mehrere Fragen: Wer hat nicht oder schlecht recherchiert und deshalb von diesen Verbrechen nichts gewusst? Wieso hat hier investigativer Journalismus so kläglich versagt? Oder waren diese schändlichen Zustände bekannt und es wurde trotzdem nicht darüber berichtet? Warum nutzten die Medien nicht unverzüglich ihre Möglichkeiten, solches Unrecht beim Namen zu nennen und anzuprangern? Wer hatte ein Interesse daran, diese Verbrechen wochenlang zu verschweigen? Und schließlich: Wer hat ein Interesse daran, über diese Verbrechen gerade jetzt zu berichten?

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