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„Man blieb oft allein“

Kursstufler berichten über den Schulalltag am Nürtinger Hölderlin-Gymnasium im Zeichen der Corona-Pandemie. Man musste sich bislang unbekannten Herausforderungen stellen.

Eine Mutter übergibt die Körbe mit den Testutensilien an zwei Lehrer. Foto: pm

Zoé Weingardt, Maya Haupt, Leaticia Suk, Marko Mladenovic, Engin Kamber, Laurin Delhees und Yusuf Acikgöz sind Schülerinnen und Schüler der Kursstufe am Nürtinger Hölderlin-Gymnasium. Sie haben sich genau angeschaut, was Corona an ihrer Schule verändert hat.

Wer genau hinhört kann bemerken, wie es leise zischt, wenn der Spender für Desinfektionsmittel die klare Flüssigkeit über die Finger laufen lässt. Ein Ritual in Corona-Zeiten: der Beginn eines jeden Schultages am Eingang des HöGy.

Vor fast zwei Jahren veränderte sich unser Leben durch die Corona-Pandemie schlagartig. Damals wusste man über das Virus wenig, und vor allem die Schulen standen vor unbekannten Herausforderungen. Kurz darauf folgte der Lockdown, kein Präsenzunterricht mehr, in den Klassenzimmern gingen die Lichter aus. Das Schulleben schien stillzustehen.

Für alle Beteiligten eine ungeahnte Umstellung: Alle saßen zu Hause vor ihren Laptops, lösten digitale Aufgaben, führten virtuelle Gespräche – Stellungnahmen über Klicks, Chats, Daumen hoch, Daumen runter.

Auch das Jahr 2021 brachte ständig neue Verordnungen: Unterricht digital, präsent, erst im Wechsel, dann alle zusammen, mit und ohne Abstandsregelung, mit Maske, ohne Maske. Dann Tests verschiedenster Art: Lollytests, Spucktests, Popeltests. Und trotz alledem hat sich derzeit für uns Schülerinnen und Schüler vieles verbessert, hat das Leben am HöGy wieder so etwas wie einen Normalzustand erreicht, trotz hoher Inzidenzen.

„Ich freute mich richtig, als nach dem kompletten Lockdown zumindest Teile der Klassen wieder im Wechselunterricht im Schulhaus auftauchten“, erzählt Schulleiterin Beate Selb, die im ansonsten verwaisten Schulhaus die ganze Zeit über die Stellung gehalten hatte.

Und wo sieht sie besondere Schwierigkeiten? „Es sind vor allem die ständig wechselnden Verordnungen und Planungen, die laufend überarbeitet werden müssen. Dabei ist es nicht immer möglich, dass alle den Durchblick behalten.“

Durch das Online-Lernen gingen die Leistungen auseinander

Und doch geht es irgendwie. Wer sich unter Schülern umhört, kann fast einstimmig vernehmen, wie erleichtert sie sind, dass der Unterricht gerade in Präsenz stattfinden kann.

„Am meisten hat uns in der Zeit des Lockdowns der direkte Kontakt zu unseren Klassenkameraden und Freunden gefehlt“, erzählt ein Schüler. „Auch wenn der digitale Unterricht ganz gut klappte, so blieb man doch oft allein.“

Gerade in Zeiten der unfreiwilligen Isolation wäre es hilfreich gewesen, die für viele vertrauten und geschätzten Schulsozialarbeiter anzusprechen. Doch das gestaltete sich schwierig. „Der Kontakt zu Schülern war für uns kaum mehr möglich“, berichtet Schulsozialarbeiter Dietmar Derrez. „Aus Datenschutzgründen hatten wir keinen Zugang zur Schulplattform, das ist bedauerlich, denn in der Pandemie haben die Sorgen und Sozialängste spürbar zugenommen.“ Mittlerweile haben Schulsozialarbeiter wie Derrez ihre Beratung wieder aufgenommen – ein weiteres kleines Stück Normalität.

Auch in die Mensa kehrt nach und nach das Leben zurück. „Nach Ende der Schulschließung kamen anfangs weniger Kinder und Jugendliche zu uns“, erzählt eine Mensaköchin. „Aber das ist mittlerweile anders geworden. Unser Hygienekonzept hat sich zudem ständig verbessert.“ Die neue Herausforderung für das Mensa-Team: täglich „Essen to go“ anbieten. Aber auch das funktioniert.

Und wie steht es um das Lernen? „Durch die lange Phase des Online-Unterrichts haben sich die Kinder und Jugendlichen in ihren Leistungen oft auseinanderbewegt“, weiß Ulrich Munz, der als Abteilungsleiter für den Bereich Hygiene am HöGy zuständig ist. „Wir wollen natürlich alle mitziehen.“ Um Defizite beim Lernstoff aufzuholen, gibt es die vom Land initiierten Projekte „Lernbrücken“ und „Rückenwind“, und am HöGy setzen Schulleitung, Lehrerschaft und Sozialarbeiter alles daran, Angebote zu machen und gleichzeitig trotz aller pandemiebedingten Einschränkungen die Klassengemeinschaft zu fördern. „Das ist gerade bei den unteren Klassen wichtig“, betont Schulleiterin Selb. „Die Kinder brauchen Raum, um Probleme anzusprechen und Fragen zu stellen.“

Was auch zur Corona-Routine gehört: Jeden Morgen stehen dank helfender Eltern neu gepackte Kisten mit Tests, Eimern, Putzlappen und Gummihandschuhen für alle Klassen bereit. „Wir sind den vielen wertvollen Helfern sehr dankbar“, hebt Ulrich Munz hervor. „Ohne sie könnte der Schulalltag so nicht stattfinden.“

Lässt sich trotz allem auch ein positives Fazit ziehen? Fest steht: Der Lockdown hat unser Leben umfassend entschleunigt. „Ich habe gemerkt, dass ich nicht immer Programm brauche und dass ich zugleich selbstständiger geworden bin“, sagt eine Schülerin. Und Schulleiterin Selb ergänzt: „Bei allem Schlimmen hat dieser Stillstand unserer westlichen Welt auch mal ganz gutgetan: innezuhalten und zu merken, dass man nicht immer höher, schneller, weiter muss.“

Auch die in der Corona-Pandemie angestoßene digitale Kommunikation wird Impulse für die Zukunft bringen, lässt sich im Schulalltag weiter verfeinern. Alpha, Delta, Omikron – angesichts von Mutationen, die dabei sind, mit ihren Bezeichnungen das griechische Alphabet auszureizen, ist ein Blick in die Glaskugel schwer. Wir als Schüler haben aber gelernt, das Hier und Jetzt zu genießen und in der Schule mehr noch als früher einen Ort der Begegnungen zu sehen.

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