Licht der Hoffnung

Ein neuer Kindertreff im Armenviertel

Licht der Hoffnung: Die in Nürtingen organisierten Favelafriends statten mit Spendengeldern ein Haus in Rio de Janeiro aus

Die Kinder in der Favela Rocinha in Rio de Janeiro freuen sich über die Tischtennisplatte ...

Die vergangene Saison der Weihnachtsaktion „Licht der Hoffnung“ ist äußerst erfolgreich gewesen. Von den großzügigen Spendengeldern der Zeitungsleser sind sechs Projekte unterstützt worden. Gelder gingen dabei unter anderem an die in Nürtingen organisierten „Favelafriends“, die damit in den Armenvierteln in Brasilien schon einiges bewegen konnten.

NÜRTINGEN/RIO DE JANEIRO. Im August ist in Rio de Janeiro ein Kinder- und Jugendtreff offiziell eingeweiht worden. Dies ist auch durch die Spendengelder der Leserinnen und Leser der Nürtinger und Wendlinger Zeitung möglich geworden. Der Treff entstand nach dem Umbau in einem der ersten Häuser in der Rua 1, das in Rio de Janeiro in der größten und bekanntesten Favela Rocinha mit geschätzten 200 000 Bewohnern gebaut wurde.

Wie der Nürtinger Helmut Bürger berichtet, wurden die Räume im Haus entrümpelt und die Wände für die Einweihungsfeier gestrichen. Das Initiatorenteam um Bernhard Weber von den Favelafriends Nürtingen/Brasilien hat die Projektidee „cantinho da paz“ – auf Deutsch Friedensecke – entwickelt, ausgearbeitet und umgesetzt.

„Unser gemeinsames Anliegen ist es, solche Vorhaben der Kinder- und Jugendarbeit in Rio de Janeiro zu fördern, insbesondere Projekte, die zur Verbesserung von Lebensbedingungen für Kinder, Jugendliche und junge Familien in den Favelas führen“, sagt der Nürtinger Helmut Bürger. „Kindern und Jugendlichen sollen Räume zur Verfügung gestellt werden, in denen sie sich selbstbestimmt und friedlich unter Anleitung von Vertrauenspersonen aus den Favelas sportlich, sozial und kulturell austauschen können.“ Ziel des Projekts sei die Einrichtung von Orten in der Favela, an denen sich Kinder und Jugendliche treffen können: zum Spielen, Musik machen, Lesen und Entspannen. „Wichtig dabei ist, dass sie unter Anleitung und Motivation eines Favela-Verantwortlichen selbstbestimmt und selbstorganisiert ihre Ideen einbringen und umsetzen lernen.“ Die Grundausstattung des Ortes werde aus den Spendengeldern des Projekts Favelafriends finanziert.

Das in der Favela Rocinha nun gestartete Konzept könne, wenn es sich bewährt, auch in anderen Favelas in unterschiedlichen Varianten umgesetzt werden. In der Rocinha ist der Beginn jedenfalls schon einmal erfolgreich verlaufen. 50 Kinder kamen zur Einweihung. Und das trotz schwieriger Bedingungen mit häufigen Schießereien in der Favela zwischen Militärs und den Gangs der Drogenbosse.

... und die Musikbox mit Mikrofon – beides wurde durch Spendengelder finanziert. Fotos: pm

Die Freude der Kinder am Tischtennisspielen und Singen ins Mikrofon hat das nicht geschmälert. Auch die Musikinstrumente erklangen lange beim Eröffnungsfest.

Bernhard Weber, der ein paar Favelas aus eigener Erfahrung kennt, zumal er in der Rocinha einige Jahre selbst mit seiner Familie gelebt hat, konnte mit einem Teil der Spendengelder aus der Aktion „Licht der Hoffnung“ die Tischtennisplatte mit Netz, Bällen und Tischtennisschlägern, zwei Gitarren mit Verstärker, Trommeln und Bücher für eine Minibibliothek anschaffen. In Feuerpausen der Schießereien wurden die Sachen durch die Favela ganz nach oben ins Haus gebracht. Bei Popcorn und Getränken durften die Kinder alles ausprobieren.

„Die Kinder behandeln die Tischtennisplatte wie ein rohes Ei“

Bernhard Weber von den „Favelafriends“

„Das Projekt in der Favela in Rio läuft, wird täglich genutzt und gut betreut“, weiß Helmut Bürger. Und Bernhard Weber berichtet von vor Ort: „Derzeit spielen wir jedes Wochenende Tischtennis. Parallel dazu machen wir Freestylebattles, bei denen die Kinder zu Musikstücken improvisieren und ihre Kreativität entfalten. Die freiwilligen Streetworker David und Soca öffnen häufig auch nachmittags die Tischtennisplatte. Der Wert der Tischtennisplatte und der Musikbox für die Kinder sind kaum zu beschreiben. Die haben ja sonst gar keine Sachgegenstände dieser Art. Daher behandeln sie die Sachen wie ein rohes Ei. Nach dem Tischtennis wird die Platte immer sicher im Casa da Cultura untergestellt.“

Inzwischen gebe es in der Favela auch einen Gitarrenverleihservice. Die Eltern leihen mit ihren Kindern eine Gitarre aus und Bernhard Weber bringt ihnen das Musizieren bei. „Als nächster Schritt sollen die Kinder rappen und die anderen Kinder begleiten sie dazu auf der Gitarre.“ Bernhard Weber, der selbst Musik macht, komponiert und schon in verschiedenen Shows im brasilianischen Fernsehen aufgetreten ist, will in Zukunft mit interessierten Kindern und Jugendlichen in der Casa Cultural Bossafunk als neue Musikrichtung einüben und spielen. Bossafunk soll soziale und gesellschaftliche Themen aufgreifen.

Es gibt aber auch noch weitere Ideen in den Armenvierteln von Brasilien. So möchte ein Friseur aus der Favela ein paar Jugendliche ins Friseurhandwerk anlernen, sodass sie sich einmal selbstständig machen können.

Nicht nur für Rio de Janeiro haben die Favelafriends Pläne. Mit einem zusätzlichen Projekt wollen sie Straßenkinder in Goiania in Zentralbrasilien, in der Nähe von Brasilia, unterstützen – zunächst mit Geld für den Kauf von Fallschutz-Matten, Hosen und T-Shirts für ihre Capoeira-Gruppe. Capoeira ist eine brasilianische Kampfkunst, die begleitet wird von rhythmischer Musik. Durch das Training in der Gruppe werden das soziale Zusammenleben sowie das Beachten von Regeln gelehrt und ein Zusammengehörigkeitsgefühl geschaffen, das oft den Rückhalt gibt, der in der Familie fehlt. „Für viele der Kinder und Jugendlichen ist die Gruppe zu einer zweiten Familie geworden“, hat Helmut Bürger festgestellt.

Die nächste Saison von „Licht der Hoffnung“ beginnt bald. Erneut bitten wir in diesem Winter um Spenden, die sechs sozialen Projekten zugute kommen. Zudem werden wir fünf Konzertabende im Verbreitungsgebiet der Zeitung veranstalten. Das Kulturprogramm beginnt am Samstag, 3. November, in Wendlingen mit „Boogie Woogie“. Eintrittskarten sowie Dauerkarten für alle fünf Veranstaltungen sind im Stadtbüro der Nürtinger Zeitung, Am Obertor, erhältlich. Das gesamte Programm finden Sie auf unserer Themenseite.

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