Leserbriefe

Qualifizierte Frauen gibt es in großer Zahl

Dora Gerwig, NT-Oberensingen. Zum Artikel „Einige Firmen im Land planen mit Vorständen ohne Frauen“ vom 18. Dezember. Viele Betriebe auch im Südwesten haben sich laut Bericht als Zielgröße für die Erhöhung des Frauenanteils im Vorstand null Prozent vorgenommen. Die Begründung eines Unternehmenssprechers: „. . .  dass eine Zielgröße über null Prozent im Vorstand zu Qualifikationszugeständnissen führen kann, die nicht zu vertreten sind.“

Männer sind demnach per se qualifizierter? Das erinnerte mich sofort an Paul Julius Möbius aus dem Jahre 1900: Ich zitiere aus seiner Schrift „Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes“: Er schreibt da über „die, im Vergleiche mit dem Manne, geringere geistige Begabung des Weibes“. „Aller Fortschritt geht vom Manne aus“ und „das eigentliche ,Machen‘, das Erfinden, Schaffen neuer Methoden (ist) dem Weibe versagt“.

Kein großer Unterschied zwischen den Geisteshaltungen der Herren damals und heute? Dabei befanden sich einige der genannten Betriebe in den letzten Jahren in großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Wie gut für die Frauen, dass man das keiner Frau im Vorstand in die Schuhe schieben konnte!

Es ist ja keineswegs so, dass man unzureichend qualifizierte Frauen für den Vorstand vorschlagen müsste. Man würde sicher welche finden, die man ebenso fördern könnte wie ihre männlichen Kollegen.

Realität aber ist eher ein Beispiel aus meinem Umfeld: Eine hochqualifizierte junge Wissenschaftlerin kommt nach kurzer Elternzeit in ihre Forschungsabteilung zurück, wird aber nicht mehr einbezogen, wenn es um innovative Projekte geht. Erst nach mehrmaligen zähen Verhandlungen bekommt sie ihren alten Status zurück. Jeder kennt solche Beispiele. Den Herren in den Vorstandsetagen wünsche ich Töchter, die dieselben schlechten Erfahrungen machen. Und ich wünsche ihnen unerschrockene Kollegen, die Frauenförderung ernst nehmen.

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