Leserbriefe

Nürtingen ist bunt – Stadt vergibt Chancen

Bärbel Greiner-Unrath, Frickenhausen. Zum Kommentar „Absolutes Eigentor“ vom 15. Juni. Man muss kein Fußballfan sein, um sich in diesen Tagen verwundert die Augen zu reiben, wenn man Zeitung liest. Was hat die Stadtverwaltung geritten, eine solch absurde Entscheidung zu treffen, nämlich Vorrundenspiele der Fußball-WM nur bei deutscher Beteiligung öffentlich zu zeigen? Vom verständlichen Ärger der Gastronomen und der murmeltierartig wiederkehrenden Frage nach der Belebung der Innenstadt einmal abgesehen: hat Nürtingen nicht schon mit stolz geschwellter Brust demonstriert, wie bunt und international es hier zugeht?

Ja, Nürtingen ist bunt. Es leben Menschen unterschiedlichster Herkunft in dieser Stadt. Wir haben international anerkannte Hochschulen. Schüleraustausch ist ein Aushängeschild der Schulen. Viele Firmen sind angesiedelt, die weltweit operieren. Und nicht zuletzt haben Menschen aus der ganzen Welt in Nürtingen Heimat gefunden. Nicht erst seit wir von einer Flüchtlingswelle reden, sondern schon viele Jahrzehnte.

Ich bin kein Fußball-Fan. Aber ich bin ein Fan von Gelegenheiten, wo Menschen zusammen feiern, sich begegnen und miteinander das Leben teilen. In einer Zeit, wo nationalistisches und rassistisches Gedankengut wieder salonfähig wird, sind solche Gelegenheiten um so wichtiger. Denn damit wird Hass und Vorurteilen der Nährboden entzogen. Die Fußball-WM ist so eine Gelegenheit, wo ein gemeinsames Fest ohne großen Aufwand möglich ist.

Wer diese Gelegenheit auf so groteske Art und Weise reglementiert, macht sich mitschuldig, wenn Rassismus und rechtes Gedankengut immer weiter dafür sorgen, dass Menschen ausgegrenzt und aufgrund ihrer Herkunft diskriminiert werden. Eine Stadt, in der das soziale Miteinander auch in Zukunft funktionieren soll, (er-)findet Wege, dieses Miteinander zu unterstützen, und nicht Regeln, die Menschen dazu zwingen, in Wohnzimmer und Hinterzimmer unter sich zu bleiben.

Zur Startseite