Leserbriefe

Krönung für den Nürtinger Kubismus

Adrian Ender, Nürtingen. Kennt dieser Tage irgendwer noch Schultheiß Karl Gonser, den wirkmächtigen Umgestalter der Nürtinger Altstadt? Seine Ära begann vor 60 Jahren und endete nach zwei Dekaden.

In den Fünfzigerjahren präsentierte sich Nürtingens Stadtkern als krähwinklige Ansammlung barocker Buden, zementgrau eingestaubt. Der Sparkassen-Kubus, ein gläserner Kontrapunkt zum Fachwerk der Alten Schmiede, bildete den ersten stimmigen Markstein der Gonser-Ära. Das Opus Magnum folgte: Die Schleifung des Steinernen Baus, einem schäbigen Fruchtkasten von anno 1554, und, ebenda, die Schöpfung des lichten Volksbank-Kubus. Nürtingens Schillerplatz besticht seither durch stilistische Vielfalt – von der Spätgotik bis zum Hochbrutalismus.

Sein urbanes Gepräge verdankt das vormals bescheidene östliche Altstadtentree der NC-Bastion, dem wuchtigsten Kubus der Gonser-Ära. Ebenso stilsicher agierte man im barocken Umfeld des Lammbrunnens. Mit der „Passage 33“, Inspiration eines brutalistischen Baukünstlers, wurde ein zeitgemäßes Ausrufezeichen eingefügt. Eigen hier der Dialog zwischen Norma-Laderampe und Hochschultor gegenüber: klare, kantige Formensprache versus verspielter barocker Ausdruck.

Nicht alle Blütenträume jener Ära konnten reifen. Der Verkehrsfluss auf dem weitläufigen Altstadtareal bedurfte der Optimierung. Die Gonserverwaltung plante einen „inneren Ring“, begehrte gar eine Schneise von der Marktstraße zum Kührain. Kleingeistige Elemente der Bürgerschaft unterbanden die Umsetzung der Utopie.

Willkommen, dass eine akute Vision nun Gestalt annehmen darf und eine Kubenkette künftig das Neckarufer ziert. Den mächtigsten Kubus, der Altstadt am nächsten gelegen, sollte man dem Förderer des Nürtinger Kubismus zu Ehren „Karl-Gonser-Building“ taufen.

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