Leserbriefe

Kommissar Oettinger vergoldet EU-Kontakte

Peter Främke, Neckartailfingen. Zum Artikel „Oettingers Unternehmen wird Fall für Ethikausschuss“ vom 30. Juli. Seit 2010 ist Günther Oettinger (CDU) als einziger Deutscher EU-Kommissar in Brüssel tätig. Damals weggelobt von Kanzlerin Merkel, nachdem er als Ministerpräsident in Baden-Württemberg nicht mehr tragbar war. Aber immerhin hat er dem Land und der Region mit Stuttgart 21 ein Erbe hinterlassen, das nachhaltig die Bahnzukunft mit dem Deutschland-Takt verhindert.

In Brüssel war er gut versorgt und als Multitalent in wechselnden Kommissions-Positionen tätig, die er ausgiebig nutzte, um Lobbykontakte zu allen Personen und Institutionen zu pflegen, die den mächtigen deutschen Kommissar gern sprechen wollten. Die anfangs vorhandenen und häufig belächelten Verständigungsmängel in Englisch haben dabei wohl wenig gestört. Nun kehrt er heim nach Deutschland und will in Hamburg Berater werden. Gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Friederike Beyer will er „Wirtschafts- und Politikberatung“ machen in der „Oettinger Consulting“, deren Gründung er bereits während seiner Kommissionstätigkeit vorbereitet hat, obwohl es auch in der EU gewisse Anstandsregeln gibt.

Noch-EU-Kommissionschef Juncker will dazu einen „EU-Ethikrat“ anrufen. Aber unter alten Freunden wird Juncker sicherlich „ein Auge zudrücken“. Für den künftigen Berater Oettinger sind seine EU-Kontakte wohl Gold wert in einer Branche, die keinen Mangel an Aufträgen aus der Politik hat, wie unter anderem die ausufernde Bundeswehr-Berater-Affäre der bisherigen Verteidigungsministerin von der Leyen beweist. Jetzt ist sie zwar plötzlich EU-Kommissionschefin in Brüssel, aber der Untersuchungsausschuss des deutschen Bundestags wird bestimmt keine Ruhe geben. Für weiteren Beratungsbedarf in Brüssel steht dann auch der Neue aus Hamburg bereit – der mit der Erfahrung in der EU und den Kontakten zu Tausenden von Lobbyisten und deren Auftraggebern. Goldene Zeiten – zumindest für Berater.

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