Leserbriefe

Heilige Schriften sind kein Waffenarsenal

Angelika Panzer, Erkenbrechtsweiler. Zu den Leserbriefen „Information sollte nicht einseitig sein“ vom 15. Juni, „Integration und Nächstenliebe“ und „Islam und Toleranz“ vom 22. Juni. Herr Reinhardt vermischt die christlichen Gebote der Nächsten- und Feindesliebe, Frau Hofstadt vergisst bei der Zitation die Kapitel-Angabe, deshalb zur Klärung folgende Hinweise: Die Aufforderung „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“, die Jesus aus der jüdischen Tora, also aus dem Ersten oder Alten Testament (Leviticus beziehungsweise 3. Buch Mose 19, 18), zitiert und neben der Liebe zu Gott als wichtigstes Gebot bezeichnet, findet sich im Neuen Testament in den Evangelien des Matthäus (22, 39), des Markus (12, 31) und des Lukas (10, 27). Letzterer verbindet sie mit dem Gleichnis Jesu vom barmherzigen Samariter. Das Gebot: „Liebt eure Feinde, tut denen Gutes, die euch hassen!“ (Lukas 6, 27) kann leicht verändert auch bei Matthäus (5, 44) nachgelesen werden: „Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen . . .“.

Wir sollten die für Gläubige heiligen Bücher nicht wie Waffenarsenale gebrauchen. Verkürzte und aus dem Zusammenhang gerissene Zitate sind einseitig und oft irreführend wie die von Herrn Roß verwendeten, die in alten Kriegszeiten Bedeutung hatten (der Islam entstand im 7. Jahrhundert) und keine Anweisung für die Gegenwart darstellen. In den Hadithen, einer muslimischen Reden-Sammlung, wird darauf verwiesen, dass in der Anwendung des Koran ein Unterschied zwischen früherer und neuerer Zeit zu beachten sei. Im interreligiösen Umgang miteinander sollten wir das Gemeinsame und Verbindende der drei Religionen des Ein-Gott-Glaubens in den Mittelpunkt stellen, um dem Geist ihrer Schriften zu entsprechen. Dass das Christentum ohne Judentum nicht denkbar ist, wird an der Lebens- und Lehrweise Jesu deutlich. Der Koran wiederum baut in weiten Teilen auf biblischen Inhalten auf, verarbeitet die jüdischen Patriarchen-Geschichten (Abraham, Isaak, Ismael, Jakob . . .) und Jesus gilt dort als bedeutender Prophet.

Plakative religiöse Äußerungen von Politikern sind zu allen Zeiten und in allen Religionen mit Vorsicht zu behandeln. Sie dienen, wie die von Herrn Roß zitierte Aussage Erdogans, oft nur dem eigenen Machterhalt und nicht Gott oder den Mitmenschen.

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