Leserbriefe

Die Interessen der Amerikaner

Dr. Johannes Heimann, Nürtingen. Zum Leitartikel „Nicht ohne einander . . . “ vom 13. Dezember und zu den Artikeln zum Wahlsieg von Boris Johnson. Wahrscheinlich hochzufrieden schaut der US-Präsident derzeit Richtung Europa. Da hat er die EU nun, wo er sie haben wollte: in der Klemme. Mit dem Wahlerfolg von Boris Johnson ist der Brexit sicher und die EU wirtschaftlich im Westen geschwächt. Im Osten wurde ihr mit dem Russland-Embargo ein wichtiger Handelspartner genommen. Das Iran-Embargo erlegt ihr absolut und prozentual deutlich mehr Handelsbeschränkungen auf als den USA.

Nach dem Prinzip „Teile und herrsche“ befördert man in Washington die Unstimmigkeiten innerhalb der EU. Dazu noch: die USA haben mit ihren Versuchen eines „regime change“ unter anderem in Afghanistan, Irak und Syrien „failed states“ hinterlassen, humanitäre Katastrophen geschaffen und Flüchtlingsströme ausgelöst, die das eigene Land nie erreichen werden. Mögen diese in Europa innenpolitische Verwerfungen auslösen!

Zum Russland-Embargo: Hatte man wirklich geglaubt, mit diesem den ach so bösen Putin zu einer anderen Politik zu zwingen? Nein, das Ziel war ein ganz anderes: Europa zu schwächen. Durch das Embargo waren unter zwei Prozent der US-amerikanischen Außenwirtschaft betroffen, dagegen 13,8 Prozent der europäischen.

Dazu noch: im eigenen wirtschaftlichen Interesse sind die USA schon immer an einem möglichst schlechten Verhältnis zwischen Deutschland und Russland interessiert. Kein Wunder, dass derzeit die USA Sanktionen gegen das Pipeline-Projekt Nord Stream 2 auf den Weg bringen. „Amerika hat keine dauerhaften Freunde oder Feinde, nur Interessen.“ (Henry Kissinger, ehemaliger US-Außenminister). Mögen auch die Europäer sich genauso emotionslos zu ihren Interessen bekennen. Sie decken sich nicht mit denen der USA. Auch wenn einem die russische Innen- und Außenpolitik nicht gefallen mag: Die Europäer sollten mit Russland ins Gespräch und ins Geschäft kommen. Wahrscheinlich ist es eher friedensstiftend, miteinander Handel zu treiben. Eigentlich eine Banalität. Frieden schließt man mit seinen Feinden. Vielleicht stellt sich dabei heraus, dass der Feind gar nicht so sehr Feind ist, wie einem glauben gemacht wird.

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