Leserbriefe

Dem Abriss wohnt kein Zauber inne

Ingrid Dolde, Großbettlingen. Zum Artikel „Blickpunkt Hölderlinhaus“ vom 25. Juni. Anstatt das Alleinstellungsmerkmal des Nürtinger Hölderlinhauses für sich zu nutzen, hat sich die Stadtverwaltung ohne Not auf eine „Entkernung“ festgelegt, bei der nicht nur die Originalsubstanz des barocken Fachwerkhauses, sondern hinter rund 60 Zentimeter starken Mauern auch das Raumgefüge in der Beletage und den noch vorhandenen Zimmern Hölderlins im Geschoss darüber völlig verlorengehen. Das hölzerne Haus-im-Haus wird kaum mehr Ähnlichkeit mit dem jetzt noch vorhandenen barocken Gebäude haben. Somit geht unwiederbringlich Bausubstanz und damit Identität und Authentizität dieses besonderen Hölderlin-Erinnerungsortes verloren.

Das Haus wurde vor zehn Jahren nur dank engagierter Bürger vor dem drohenden Abriss bewahrt und nun wird wieder öffentlich behauptet, dass im Gebäudeinneren keine Bausubstanz aus der Zeit Hölderlins mehr vorhanden sei. Kurios ist das für die Totalentkernung benutzte Argument, aus der Hölderlinzeit seien nur zwei Teile der Fassade übrig geblieben, dabei hat das 2008 von der Stadtverwaltung selbst in Auftrag gegebenes Gutachten erwiesen, dass wesentlich mehr aus der Zeit Hölderlins stammt als offiziell zugegeben wurde. Doch daran will man sich nicht erinnern. Pressemeldungen seitens des Hölderlinvereins, die für eine Bewahrung der erhaltenswerten Originalsubstanz werben, werden weitgehend ignoriert und damit jede öffentliche Diskussion vereitelt.

Es ist inakzeptabel, ein intaktes und stadtbildprägendes Gebäude zu entkernen. Der kulturhistorische Rang des Hauses ist unbestritten, und um genauen Aufschluss über die Altersschichten eines Gebäudes zu erhalten, sind exakte Bauforschungen üblich, was auch der Hölderlinverein seit Langem fordert und Experten für das Nürtinger Hölderlinhaus empfehlen. Die Stadtverwaltung verweigert eine solche Voruntersuchung beharrlich als eine angeblich nicht notwendige Maßnahme – aus Angst vor dem Ergebnis?

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