Weihnachtsgrüße

Wo glückliche Bäuche auf erfreute Ohren treffen

Paul Wipper arbeitet mit Herz und Seele in einem Hotel im österreichischen Kleinarl. An Weihnachten veranstalten die Mitarbeiter einen Weihnachtsmarkt für Groß und Klein.

Paul Wipper schickt seine Weihnachtsgrüße aus dem Nachbarland Österreich, wo er in einem Hotel arbeitet.

Dieses Weihnachten werde ich nicht bei meiner Familie verbringen. Das ist jetzt erst mal nichts Ungewöhnliches, immerhin werden das eine Menge Menschen machen, aber vielleicht Interessiert es ja jemanden, wie das bei mir so gekommen ist und das werde ich euch jetzt erzählen.

Ich bin 20 Jahre alt und habe letztes Jahr mein Abitur bestanden. Anders als meine Freunde hat es mich nicht an die Uni gezogen, sondern in die Ferne in einen Beruf. So landete ich also in einem kleinen Dorf namens „Kleinarl“ im wunderschönen Österreich. Dort arbeite ich mit Herz und Seele in einem Hotel und bereite anderen Menschen einen unvergesslichen Urlaub, auch an diesem Weihnachten werde ich dort mein Bestes geben.

Allerdings bedeutet das auch, dass ich leider nicht bei meiner Familie sein kann, um das Fest der Liebe zu feiern. Vermutlich hat sich einer von euch schon bei dem Wort Österreich gedacht, dass das ja gar keine richtige „Ferne“ ist, in die es mich da verschlagen hat und dass es andere Familien gibt, die mehr Kilometer zwischen sich haben. Aber wie wird Ferne eigentlich definiert? Also bei Google steht, es sei eine räumliche Entfernung, ein größerer Abstand. Gut, diese Kriterien für „Ferne“ erfülle ich in Österreich auf jeden Fall, immerhin sind das gute 400 Kilometer nach Hause.

Aber ich möchte euch kurz meine Definition von Ferne geben, damit ihr versteht, warum ich Grüße an meine Familie aus dem direkten Nachbarland schicken möchte: Für mich ist die weite Ferne dann erreicht, wenn du mal eben nicht mehr innerhalb einer halben Stunde deine Mama in den Arm nehmen kannst, sondern dafür eine kleine Reise vorbereiten musst und das müsste ich, wenn ich nach Hause will.

Ja, ich bin schon zwanzig oder für manche auch erst zwanzig Jahre alt, aber auf jeden Fall erwachsen, nicht lebenserfahren aber erwachsen, und da sollte man meinen, ein junger Mann sollte seine Mama nicht mehr so brauchen. Tja leider falsch! Sie muss mir zwar nicht mehr den Mund abwischen oder ein Brot schmieren, aber liebe Worte und eine feste Umarmung von seiner Mama braucht man mit 40 auch noch. Nicht umsonst synchronisieren sich die Herzschläge von Mutter und Kind, wenn sie sich umarmen. Und ja, es mag Mütter geben die ihre Söhne bis nach Australien vermissen müssen, aber für eine Umarmung und für unsere Herzen sind 400 Kilometer auch sehr viel. Und wenn sich meine Mama einmal weg von Österreich dreht, dann muss sie mich sogar einmal um die ganze Welt vermissen, kleiner Scherz . . .

Und klar, man könnte auch einfach anrufen oder ’ne WhatsApp schreiben, ist heute ganz einfach: Handy raus, dreimal drauf getippt und fertig. Aber es ist nichts Besonderes mehr! Und so ’nen Text aus einer echten Zeitung von seinem Sohn zu lesen, hat auf jeden Fall mehr Stil.

Ich hoffe ich habe euch bis jetzt noch nicht gelangweilt, ich würde euch gerne noch kurz erzählen, wie wir in unserem Hotel Weihnachten feiern, bevor ich persönliche Grüße an meine Familie richte. Da wir so weit oben sind, haben wir eigentlich immer weiße Weihnachten, was die Stimmung sehr hebt. Im Hotel wird alles schön weihnachtlich geschmückt und es stehen ein paar dekorierte Weihnachtsbäume herum. Da werden die Kinderaugen immer ganz groß, wenn sie an denen vorbeigehen.

Jägersee in Kleinarl, Foto: AdobeStock/cristakramer

An Weihnachten selbst veranstalten wir Mitarbeiter einen Weihnachtsmarkt auf unserem Hotelspielplatz, der mindestens knöchelhoch mit Schnee bedeckt ist. Es gibt alles was das Herz begehrt: Glühwein, Kinderpunsch, Bratwurstbrötchen, Pfannkuchen und Waffeln, Schokofrüchte und Prozente, die von innen wärmen, wenn ihr versteht was ich meine. Also die Bäuche sind schon mal glücklich, für die Augen hängen überall Lichterketten und Weihnachtsschmuck, auch eine Krippe mit echten Menschen haben wir (unter den Mitarbeitern, die nicht in der Krippe stehen, wird immer ausgelost, wer die nächste Runde Glühwein an die Krippenfiguren bringen muss, nicht dass die uns noch einfrieren).

Damit die Ohren auch was zum Erfreuen haben, laufen die besten Weihnachtshits überhaupt. Und wenn „Last Christmas“ kommt, dann freuen sich alle immer ganz besonders, ich hoffe den Sarkasmus hat man verstanden. Aber das Lied gehört halt auch einfach dazu. So jetzt müssen wir noch unsere Herzen glücklich machen, dazu lassen wir extra vom Nordpol den Weihnachtsmann einfliegen. Da wir in Kleinarl ein strenges Rentier-verbot haben, kommt er bei uns mit dem Pferdeschlitten, der von zwei wunderschönen Rappen gezogen wird. Auf dem Markt angekommen erzählt er den Kindern eine Weihnachtsgeschichte und dann darf sich Jedes Kind persönlich ein Geschenk bei ihm abholen – Fotos werden natürlich auch geschossen wie bei der Met-Gala. Wenn der Weihnachtsmarkt vorbei ist, gibt es ein köstliches Abendessen. Im Hotel hat man den Vorteil, dass man sich nicht entscheiden und drüber streiten muss, was man dieses Jahr kocht. Es gibt einfach alles!! Dann gibt es noch einen letzten Aufmarsch von uns Mitarbeitern, jeder Gast bekommt noch ein Glas Sekt oder einen Kindercocktail, dann ist auch für uns Heiligabend. Manche verbringen ihn mit Freunden, die sie dort beim Arbeiten gefunden haben, andere in ihrem Zimmer im Videocall mit ihrer Familie und wieder andere auch leider ganz alleine.

Ich hoffe ich konnte euch unser Weihnachten ein bisschen näherbringen. Jetzt gibt es noch die versprochenen Worte an meine Familie, die in Baden-Württemberg bestimmt fest an mich denken, so wie ich an sie denke. Liebe Familie, ich wünsche euch allen ein frohes Weihnachtsfest und hoffe, dass ihr auch ohne mich gut feiern könnt! Das gute Essen hilft euch bestimmt dabei. Ich hoffe, dass der Weihnachtsbaum schön geschmückt ist und beinahe explodiert vor lauter Geschenken! Ich schicke euch ganz viel liebe Weihnachtsgrüße und freue mich schon, wenn wir uns bald wieder zu Hause sehen!

 

Glück und Schnee vom Amadé

Paul Wipper

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