Weihnachtsgrüße

Der Adventskalender ist ein Stück Heimat

Kathleen Häußermann vermisst in Bolivien ein bisschen die deutschen Traditionen im Advent und an den Feiertagen

Kathleen Häußermann kümmert sich bei ihrem Freiwilligendienst in Bolivien um Kinder.

Vor über vier Monaten ging meine Reise los nach Südamerika. Genauer gesagt nach Cochabamba in Bolivien. Cochabamba ist mit rund einer Million Einwohnern die viertgrößte Stadt in Bolivien. Sie liegt auf etwa 2500 Meter Höhe mitten in einer wunderschönen, von Bergen umgebenen Landschaft. Gemeinsam mit meinen Mitfreiwilligen Madeleine und Joel darf ich hier für insgesamt elf Monate einen „weltwärts“-Einsatz mit der Organisation CFI-Freiwilligendienste absolvieren. In meinem Freiwilligendienst unterstütze ich die Organisation OESER vor allem im Englischunterricht der ersten bis sechsten Klasse und beim gemeinsamen Mittagessen mit den Kindern. Zudem hole ich jeden Morgen gemeinsam mit einer Mitfreiwilligen circa 15 Kinder aus einem Frauengefängnis ab. Die Kinder wohnen hier, bis sie sieben Jahre alt sind, gemeinsam mit ihrer Mutter in einer Zelle. So fahren wir jeden Tag rund 30 Minuten in einem „Trufi“ (kleiner Bus) zur Schule beziehungsweise in den Kinderhort. Ein Highlight dieser Fahrt ist für mich, und so wie es scheint auch für die Kinder, immer wieder aufs Neue, wenn wir unter einer Brücke durchfahren und die Kinder mit einem Strahlen im Gesicht anfangen zu schreien. Es ist so schön mitzuerleben, wie sich die Kinder auch an kleinen Dingen freuen. Während meines Einsatzes wohne ich in einer bolivianischen Gastfamilie, wodurch ich die bolivianische Kultur hautnah miterlebe. Das ist immer wieder aufs Neue spannend, herausfordernd, aber zugleich auch interessant, da ich mit der Zeit immer bewusster kulturelle Unterschiede wahrnehme. Ende November ist hier von Weihnachtsstimmung noch nichts zu spüren ist. Es gibt weder Weihnachtsmusik zu hören noch Weihnachtsdekoration in den Häusern oder auf der Straße. Auch den leckeren Duft nach frisch gebackenen Weihnachtsplätzchen und weihnachtlichem Teepunsch suche ich noch vergeblich. Lediglich im Supermarkt wurde Anfang November die Halloween-Ecke durch weihnachtliche Dekoartikel ausgetauscht. Das ist bisher aber auch das Einzige, was darauf hinweist, dass Weihnachten immer näher kommt.

Die warmen, sommerlichen Temperaturen von knapp 30˚ Grad machen es mir da nicht leichter, in Weihnachtsstimmung zu kommen. So kam es mir schon fast seltsam vor, als wir einen Monat vor Weihnachten den Englischunterricht passend zu Weihnachten gestaltet haben, ohne zu spüren, dass bald Weihnachten ist.

Durch meine bolivianischen Gasteltern habe ich inzwischen erfahren, dass hier etwa zwei bis drei Wochen vor Weihnachten im Zentrum der Stadt Lichterketten aufgehängt werden und eine Krippe aufgestellt wird. Insgesamt hat Weihnachten hier keinen so hohen Stellenwert. So gibt es auch keine besonderen Traditionen wie zum Beispiel einen Adventskranz in der Adventszeit.

Um die deutsche Adventsstimmung nicht komplett zu verpassen, haben wir Freiwilligen uns gegenseitig Adventskalender gemacht. Darüber freue ich mich sehr, da wir so ein Stück Heimat nach Bolivien holen können.

Auch in der Schule steht Anfang der Ferien, die im Dezember starten, ein spezielles Angebot für die Schulkinder mit gemeinsamem Singen, Basteln, biblischen Geschichten und Plätzchenbacken auf dem Programm. Darauf freue ich mich schon sehr und hoffe, dass ich durch das gemeinsame Backen langsam in Weihnachtsstimmung komme.

Panoramablick auf Cochabamba

Weihnachten selbst werde ich gemeinsam mit meiner Gastfamilie feiern. Das Fest beginnt um Mitternacht in der Nacht vom 24. auf den 25. Dezember mit Glückwünschen, Geschenken für die Kinder und viel Essen. Am Tag des 25. Dezembers gibt es nochmals die Reste der Nacht zum Mittagessen. Auch hier wird das Fest gemeinsam mit der Familie gefeiert, was ich sehr schön finde. An Weihnachten selbst wird es wohl keinen Gottesdienst geben, was ich sehr schade finde, da es schließlich um die Geburt Jesu geht, die an Weihnachten gefeiert wird. So werde ich an diesem Tag neben der gemeinsamen Zeit mit meiner Familie sicherlich die „Lichtnacht“, den Spätgottesdienst in der Neuffener Martinskirche vermissen, bei der die ganze Kirche hell mit Kerzen beleuchtet ist, wunderschöne Musik erklingt und den Heiligen Abend mit dem Blick auf den Grund von Weihnachten ausklingen lässt: Jesus Christus, der Retter der Welt!

Ich wünsche allen Lesern Feliz Navidad, besinnliche Festtage und ein schönes Jahr 2020.

Herzliche Grüße

Kathleen Häußermann

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