Weihnachtsgrüße

Beim Weihnachtsessen lernen die chinesischen Freunde das Wichteln kennen

Ein Auslandssemester brachte Jan Stribel nach Peking – Das Abenteuer China hat seine ganz besonderen Herausforderungen

Ein Besuch der Chinesischen Mauer ist ein Muss – auch für Jan Stribel, der in Peking ein Semester studiert.

Vor etwa einem Jahr habe ich mich dazu entschlossen, im Rahmen meines Masterstudiums Betriebswirtschaftslehre in Mannheim ein Auslandssemester einzuschieben. Für meine Auslandsbewerbung konnte ich vier Prioritäten angeben und letztendlich habe ich über das Auswahlverfahren Peking bekommen. Mein Abenteuer China startete bereits Anfang August: Zuerst wollte ich mir wenigstens ein paar Tage Hongkong ansehen, bevor es dann zu meinem Studienort Peking weiterging, um dort vor Semesterbeginn im September an einem intensiven dreiwöchigen Sprachkurs Chinesisch teilzunehmen.

Hier in Peking sprechen nur sehr wenige Menschen Englisch. Daher ist es fast notwendig, sich mit Mandarin auseinanderzusetzen, wenn man im Alltag bestehen, sich ein Taxi nehmen oder im Restaurant Essen bestellen möchte. Man sollte sich auf keinen Fall von den Schriftzeichen vom Lernen der Sprache abschrecken lassen, denn man kann dank der sehr einfachen Grammatik schnell erste Lernerfolge beim Sprechen erreichen. Mir ist positiv aufgefallen, wie viel Mühe sich die Chinesen machen, um einem trotz der Sprachbarriere bei Fragen weiterhelfen zu können – manchmal rufen sie Verwandte an, die dann telefonisch ins Englische übersetzen oder sie fragen unzählige Passanten um Hilfe. Generell sind Chinesen sehr freundlich gegenüber Ausländern und sehr oft wird man auf der Straße angesprochen, ob sie ein Foto mit einem machen dürfen.

Hier in Peking ist vieles anders und man muss sich definitiv einigen Herausforderungen stellen, wenn man hier lebt. Als Angehöriger der Generation Y ist es mir zum Beispiel anfangs schwergefallen, mit den hiesigen Internetrestriktionen umzugehen und auf Google-Kartendienste, Übersetzer, aber auch soziale Netzwerke wie Facebook zu verzichten. Mittlerweile habe ich jedoch genug Chinesisch gelernt, um mit den lokalen Pendants umgehen zu können, was den Alltag doch sehr erleichtert.

War China vor einem Jahrzehnt noch bekannt für einfache Kopien westlicher Geschäftsmodelle, haben sich mittlerweile hier insbesondere im Internetsektor viele spannende Angebote entwickelt, die ich so im Westen bisher noch nicht gesehen habe. Beispielsweise ist das Bezahlen mit Smartphones hier bei Jung und Alt üblicher als Bargeld oder Kartenzahlungen und auf Basis dieses Zahlverhaltens räumen Anbieter zum Beispiel Kredite ohne Prüfung der Sicherheiten oder persönliches Gespräch ein. Erschlagend waren für mich am Anfang die unglaublichen Menschenmassen: Das allabendliche Verkehrschaos und die teilweise hundert Meter langen Warteschlangen vor UBahn-Stationen überraschten mich in ihrem Ausmaß definitiv.

An meiner Austausch-Uni, der Tsinghua-Universität, gibt es zum Beispiel mehr eingeschriebene Studenten als Nürtingen Einwohner hat und die Größe des Campus entspricht etwa 630 Fußballfeldern. Es gibt auf dem Campus neben rund zwanzig Großkantinen, Dutzenden Bibliotheken, Sportplätzen und Restaurants auch eigene Buslinien, Einkaufsstraßen und mehrere Postzentren. Die unzähligen Studentenwohnheime sind jedoch an westlichen Standards gemessen sehr rudimentär ausgestattet; so gibt es warmes Wasser nur während bestimmter Uhrzeiten und die Heizungen wurden erst nach einigen Tagen unter fünf Grad Außentemperatur zentral eingeschaltet. Ich genieße als Austauschstudent den Luxus eines kleinen Einzelzimmers, wohingegen chinesische Studenten sich teilweise zu fünft ein Zimmer teilen müssen. In Peking selbst gibt es unendlich viel zu entdecken: Neben klassischen Touristenzielen wie dem Tiananmen, der Verbotenen Stadt, dem Sommerpalast oder dem buddhistischen Lama-Tempel gibt es sehenswerte, sehr lebendige Stadtviertel, wie das Kunstviertel 798, in dem sich eine Kunstausstellung neben der anderen findet. Sehr gut gefallen mir auch die Hutongs, klassisch chinesische Gassen, in denen man nicht selten Fächermanufakturen, Jadejuweliere oder sensationell leckere chinesische Restaurants finden kann.

Apropos Essen: Das Essen ist wirklich lecker und es gibt insbesondere viel Gemüse zu entdecken, das wir in Deutschland nicht essen, wie zum Beispiel Lotuswurzeln oder verschiedene Rüben.

Wenn man in Peking ist, darf natürlich ein Ausflug zur Chinesischen Mauer nicht fehlen, denn ein Teil der etwa 8000 Kilometer langen Mauer ist nur etwa zwei Stunden von Peking entfernt.

Neben meinem Studium versuche ich, so viel wie möglich von Land, Sprache und Kultur kennenzulernen: Wenn ich am Wochenende Zeit habe, fahre ich in die vergleichsweise kleine und weniger entwickelte Stadt Bengbu westlich von Shanghai, um dort Kindern im Alter von vier bis sechs Jahren Englischunterricht zu geben – eine wirklich bereichernde Erfahrung! Diesen Job hat mir meine Chinesischlehrerin vermittelt, was mich sehr freut, denn neben dem Spaß an der Arbeit komme ich so auch etwas aus der hektischen, von Smog geplagten Megastadt Peking heraus.

Aufgrund des geringen Anteils von Christen in der Bevölkerung wird Weihnachten hier in China nicht gefeiert. Dennoch haben sich Weihnachtsdekorationen in vielen Einkaufszentren durchgesetzt und Weihnachten wird von vielen Chinesen als eine Art Valentinstag begangen, bei dem sich Partner beschenken und gemeinsam Zeit verbringen.

Für Ausländer wie mich gibt es dennoch Möglichkeiten, etwas Weihnachtsstimmung zu erleben, sei es auf dem Weihnachtsmarkt auf dem Gelände der deutschen Botschaft, bei einer Aufführung von Bachs Weihnachtsoratorium durch die Deutsche Kantorei Peking oder bei der von der Uni organisierten Galanacht eine Woche vor Weihnachten.

Am Heiligen Abend plane ich gemeinsam mit anderen europäischen Studenten ein Weihnachtsessen zu veranstalten und unseren chinesischen Freunden das Wichteln zu zeigen. Am 28. Dezember wird meine Freundin nach Peking kommen, und ich freue mich schon heute auf eine fünfwöchige Reise entlang der Küste und anschließend durch den Süden Chinas, wo sommerliche Temperaturen herrschen, bevor es Anfang Februar wieder nach Nürtingen und Mannheim geht.

Ich grüße herzlich meine Familie, besonders Oma Erne, Beate und Opa Walter, meine Freunde und alle Bekannten, wünsche allen Lesern fröhliche Weihnachtstage im Kreise ihrer Lieben und freue mich schon heute auf das versprochene Willkommensfest!

Euer

Jan Stribel

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