Licht der Hoffnung

Das immerwährende Hochzeitsfest

Licht der Hoffnung: Irith Gabriely und Colalaila sowie Romeo Franz und Best Friends rissen ihr Publikum in Beuren mit

Meister ihres Fachs zu Gast beim Festival der Hoffnung: Irith Gabriely mit Colalaila ...

Von der ersten Sekunde an Hochstimmung, entfesselt aufspielende Musiker, Höhenflüge der Töne und Emotionen – auch das dritte Konzert des Festivals der Hoffnung riss das Publikum mit: Wogen der Begeisterung erfüllten beim Gastspiel von Irith Gabriely und Romeo Franz am Freitagabend die Festhalle zu Beuren. Klezmer und Sinti-Jazz: das passt offensichtlich gut zusammen.

BEUREN. Es war ein Wagnis, eine Fahrt aufs offene Meer gewissermaßen: Zwei Musikrichtungen miteinander zu kombinieren, die auf den ersten Blick nicht viel miteinander zu tun haben, aber die dennoch viel miteinander verbindet. Nicht zuletzt wenn sie von solch hochkarätigen Künstlern interpretiert werden wie an dem wahrlich außergewöhnlichen Abend, der durch die Unterstützung der Unterensinger Rechtsanwaltskanzlei Dr. Mitsdörffer, Weible und Kollegen möglich wurde.

Dass es ein solch fantastischer Abend wurde – das lag aber auch an den begnadeten Musikern, die die beiden Bandleader mitgebracht hatten. Colalaila zum Beispiel ist mehr als die Klarinetten-Göttin Irith Gabriely: Auch Peter Przystaniak am E-Piano und Stefan Welsch am Cello sind absolute Meister ihres Fachs, mehr als nur Begleitung, sondern mit-tragendes Element.

So ist es kein Wunder, dass vom allerersten Momenten die Funken fliegen – hinein ins Publikum, sodass die Begeisterung, ja diese Euphorie der drei da oben auf der Bühne sofort hinunter in den Saal überspringt. Aufwärmphase? Denkste! Braucht Colalaila einfach nicht. Das wäre auch pure Zeitverschwendung. Die da oben und die da unten sind sofort mittenmang im Hochgefühl.

„Mach mich glücklich, spiel mir ein trauriges Liedel“ – dieser jiddische Ausspruch ist nur so lange ein Widerspruch, bis man Irith Gabriely spielen hört. Dann ist das keineswegs mehr absurd – sondern schlicht und einfach genial.

Und immer sitzt ihr der Schalk im Nacken. So mischt sie etwa unter Benny Goodmans „You smile and the angels sing“ Ravels „Bolero“. Und so schön die langsamen Stücke daherkommen – auf Dauer kann sie es dann doch nicht ruhig angehen lassen. Ihr Temperament lässt sich nicht zügeln, es schlägt durch und bricht sich Bahn. Und dann spürt man geradezu körperlich, wo die Wurzeln des Klezmer liegen: in den Hochzeitfesten oder anderen freudigen Anlässen, die in Dorfschenken tobten.

...sowie Romeo Franz und Best Friends erhielten am Freitag in Beuren Ovationen. Fotos: Holzwarth

Diese Wurzel bewahrt Irith Gabriely, hegt und pflegt sie, lässt sie erblühen – und dennoch ist ihr Blick keineswegs verengt: Berührend und bewegend war es zum Beispiel, als die Jüdin „unsere jüngere Schwester, das Christentum“ ansprach – und in ihrem Weihnachtslieder-Potpourri nicht nur „Kling, Glöckchen, klingelingeling“, sondern auch „O du fröhliche“, in dem ja auch „Christ ist erschienen, uns zu versühnen“ vorkommt. Das war (wie ihr gesamtes Konzert) etwas, das nicht nur das Ohr erreichte. Sondern zu Herzen ging.

Eine andere Musik, aber keinen Bruch gab es nach der Pause: Geiger Romeo Franz und Best Friends zelebrierten den Sinti-Jazz: Aaron Weiß am E-Piano, Joe Bavelino (Gitarre), Branco Arnsek (Kontrabass) sind allesamt auch brillante Solisten und Romeos 16-jähriger Sohn Sunny eroberte die Herzen des Publikums im Sturm. Man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass er die große Familientradition fortsetzen wird.

Django Reinhardt ist der große Übervater des Sinti-Jazz. Doch was er vor mehr als einem Dreivierteljahrhundert begründete, lebt auch heute – und wird nicht nur gepflegt, sondern auch weiterentwickelt. Zumal es die Musiker in kein Korsett zwängt, sondern ihnen Freiraum zur Entfaltung lässt.

Und das nutzten die fünf auch weidlich aus. Seien es die eher getragen Melodien, die in französischen Walzern verankert sind, sei es beim Swing pur, bei dem die Füße nicht anders konnten als pausenlos mitzuwippen, sei es beim feurigen Csardas – überall brach sich die Spielfreude und Lebenslust Bahn und leuchteten Glanzlichter der Improvisationskunst voll spielerischer Leichtigkeit auf – allesamt mit riesigem Applaus bedacht. Und die Ovationen wollten auch nach dem grandiosen Finale mit „Mackie Messer“ und „Bei mir bist du scheen“ kein Ende nehmen. – Dieses Konzert ließ spüren, dass es dem schrecklichen Schicksal der Völker, aus denen diese grandiosen Melodien stammen, zum Trotz Dinge gibt, die unsterblich und untötbar sind: die Musik, die Freude. Und die Liebe.

Dieser Abend – er war wie ein immerwährendes Hochzeitsfest.

Zur Startseite