Licht der Hoffnung

Wie auf einer ukrainischen Dorf-Hochzeit

Licht der Hoffnung: Die Hudaki Village Band aus der Ukraine steckte in der Neckartailfinger Festhalle mit ihrer Lebensfreude an

Eroberten die Herzen des Publikums: „Teufelsgeiger“ Michailo Schutzko und Katarina Spenjovic (von links) ...

Was für eine Strafe! Weil sie auf einer Zechtour in einer jüdischen Kneipe in den Karpaten zu viel Schulden gemacht hatten, sind sie dazu verurteilt, als Hudaki Village Band ein Leben lang durch die Lande zu ziehen und Musik zu machen. Auch wenn bei der Geschichte eine gewisse Portion Flunkerei dabei sein dürfte, hat sie doch einen wahren Kern: Musik ist das Leben dieser Truppe.

Sie leben durch ihre Musik und in ihrer Musik, und sie lassen wohl fast alle ihrer Zuhörer neu aufleben, wenn sie (wie am Samstag beim zweiten Festival der Hoffnung, das dank der Unterstützung der Firma Daldrop und Dr. Ing. Huber möglich geworden war) über die Bühne der Neckartailfinger Festhalle wirbeln.

Dann macht das Ensemble aus der Ukraine nicht nur sich selbst, sondern auch sein Publikum in einer ganz besonderen Art schwerelos: Wenn diese zuweilen regelrecht archaischen Klänge durch den Raum fliegen, ist man völlig losgelöst, dann möchte man am liebsten aufstehen und mittanzen wie auf einer ukrainischen Dorf-Hochzeit und nicht mehr aufhören.

Dort dauert ein einziger Tanz – so Jürgen Kräftner, der Klarinettist der Gruppe (ein Österreicher, der schon fast zwei Jahrzehnte in der Ukraine lebt) – übrigens fast eine halbe Stunde. Manch eine(n) juckten am Samstag sichtlich gewaltig die Beine – dass dann letztlich doch keine(r) aufsprang, um seine Begeisterung auszuleben, dürfte wohl hauptsächlich der urschwäbischen Angst davor, was denn der Nachbarn denken (und womöglich auch noch sagen) könnte, geschuldet sein.

... Olha Seninets ...

So bunt dieses Völkergemisch in der Region ist, die 1887 als geografischer Mittelpunkt Europas errechnet wurde, so musikfarben-prächtig sind auch die Lieder und Tänze von dort. Sie lassen regelrecht körperlich spüren, was möglich ist, wenn man sich nicht voneinander abgrenzt, sondern sich gegenseitig bereichert. Da spielt es dann keine Rolle mehr, was am jeweiligen Stück aus dem Kulturkreis der Roma oder der Walachen, der Slawen oder der Ungarn stammt.

Die Kraft der Musik hautnah erlebt

Oder der Juden. Die einst die besten Musiker Transkarpatiens stellten. Und die Hälfte der Einwohner von Nischnje Selischtsche – dem Dorf, aus dem die Hudakis stammen. Sie alle wurden im Zweiten Weltkrieg von den deutschen Besatzern deportiert. Kein einziger kehrte zurück. Und was machten die anderen? Sie übernahmen die Musik der Juden und pflegen sie weiter. Es war einer der berührendsten Momente dieses herrlichen Abends, als Kräftner dies erzählte. Und es wurde klar: Man mag Menschen umbringen können. In ihrer Musik aber leben sie weiter. Die kann man nicht ausrotten. – Die Kraft der Musik spiegelte sich auch in einer anderen Geschichte wider: Was tun, wenn man bis an die Zähne bewaffneten Sicherheitspolizisten gegenübersteht? Man singt und spielt ihnen ein Lied vom Kuragovza – dem Blumenkranz, den die Braut bei der Hochzeit trägt. Und das Wunder von Kiew geschah: Die harten Männer ließen sich erweichen und die Gruppe während des Aufstands vom Majdan passieren.

... und Klarinettist Jürgen Kräftne von der Hudaki Village Band. Fotos: Gauß

Irgendwie symbolisch: Dem Zauber des Ensembles, zu dem neben Kräftner mit Olha Seninets und Katarina Spenjovic (Gesang), Michailo Schutzko (Geige), Vitali Kovacs (Gitarre) und seinem Vater Serji (Akkordeon und Bratsche), Vassil Ruschak (Trommel), Vlodimir Korolenko (Cymbalon) und Vlodimir Tischler (Bass) lauter Meister ihres Fachs gehören, kann sich wohl keiner entziehen.

Man muss die Tür seines Herzens einfach aufmachen, den „Tornado aus Maramorosch“ wirbeln lassen. Und das tut so was von gut!

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