Licht der Hoffnung

Mittendrin im sizilianischen Leben

Licht der Hoffnung: Vucciria rissen in der Frickenhäuser Festhalle einmal mehr ihr Publikum mit

Tolle Musiker und Erzkomödianten: Vucciria sorgten mit sizilianischer Lebensfreude für einen furiosen Abschluss der 26. Auflage unserer Aktion „Licht der Hoffnung“. Foto: Holzwarth

Die Schwaben – die Sizilianer Deutschlands? Am Samstag konnte man es in der Festhalle Frickenhausen fast meinen: Vom ersten Moment des Konzerts von Vucciria an sprang der Funke von der Bühne aufs Publikum über, gemeinsam feierte man ein Feuerwerk der Fröhlichkeit. Und der Abend wurde das, was die Fans der Band erwartet hatten – ein furioses Finale unserer Weihnachtsaktion.

FRICKENHAUSEN. „Wir sind vielleicht keine sehr guten Musiker – aber wir sind sympathisch“, hatte Giuseppe („Pepe“) Perna augenzwinkernd gesagt. Nun, mit Letzterem lag er vollkommen richtig – mit dem Ersteren aber grundlegend falsch. Die vier sind nämlich nicht nur sehr gute, sondern ausgezeichnete Musiker. Allesamt brillieren sie mit ihrer Stimme und ihren Instrumenten.

Was Toti Denaro zum Beispiel mit seiner Rahmentrommel vollführt, das ist einfach unglaublich. Wenn es stimmt, dass man in Sizilien ohne dieses Musikgerät keine Frau bekommt, dann müsste der Junge mit dem Schalk im Nacken eigentlich wegen Polygamie vor den Kadi.

Auf jeden Fall scheint er mit seiner einzigen Trommel ein ganzes Schlagzeug ersetzen zu können. Seine Hände fliegen in atemberaubenden Tempo über das Fell – im Rhythmus, bei dem jeder vor Begeisterung einfach mit muss. Als Zuschauer hat man keinerlei Chance, sich dieser Magie zu entziehen.

Und ein Erzkomödiant ist er darüber hinaus auch. Seinen Crash-Kurs in italienischer Trommelkunde vermag man immer wieder über sich ergehen zu lassen – ach was, zu genießen! Es ist eine Freude, bei diesem Mix aus Slapstick und Volkshochschulkurs nichts zu lernen – weil man dann immer wieder hochamüsante Nachhilfe bekommt.

Ist Toti der Wirbelwind und Springinsfeld, so steht (respektive sitzt) ihm Manu Mazé als ruhender Gegenpol gegenüber. Ein Meister des Akkordeons, der kein Brimborium braucht, es aber versteht, sich in jede Melodie nicht nur einzufinden, sondern sie auch zu veredeln, ihr seine eigene Note und (französischen) Charme zu schenken. Ein Mann im Hintergrund, durch den der Vordergrund aber erst so richtig zur Wirkung kommt.

Vuccirias Frontmann ist Pepe Perna, dessen ganze Erscheinung die Liebe und die Leidenschaft zu seiner sizilianischen Heimat widerspiegeln, obwohl er nun schon lange in Graz, der Metropole der Steiermark, lebt (und dort auch heuer den Ballo di Casanova, den Höhepunkt der Ballsaison im Kongresshaus, organisiert). Zu alldem kommt noch ein unendliches Wissen und ein Forschergeist über die Kultur dieser Insel im Mittelmeer. Und eine tolle Stimme, mit der er sich in die verschiedensten Stimmungen dieser Lieder hineinversetzen kann.

Von denen gibt es eine Menge. Auch wenn eins klar dominiert: die Freude und die Fröhlichkeit. Aber auch die haben ja so ihre Facetten: die Euphorie eines Festes (und es gibt bei diesem Völkchen eigentlich keinen Anlass, um kein Fest zu feiern), das Augenzwinkern über einen eigentümlichen Zeitgenossen oder etwas verworrene Liebschaften, den Wirbel in einer frohen Runde in einer Taverne, den Jubel über ein gefülltes Fischernetz, die Heiterkeit des Hirten an einem sonnigen Tag mit seinen Schafen und Hunden in den Bergen.

All das lebt bei Vucciria. Es gibt natürlich auch wunderschöne Romanzen und Balladen (wie ein Volkslied der – hierzulande wohl kaum jemandem bekannten – Nachkommen von albanischen Flüchtlingen, die nach der Eroberung ihrer Heimat durch die Türken im Mittelalter auf der Piana degli Albanesi bei Palermo eine neue Heimat fanden), aber bei diesem Ensemble und diesem Konzert kann nichts einfach ruhig und getragen enden, da muss zuvor einfach immer Gas gegeben werden. – Und dabei besticht auch einer, den man im ersten Moment gar nicht so wahrnimmt: Aber Nicolo Loro Ravenni beherrscht Saxofon und Flöten einfach phantastisch. Seine Bescheidenheit auf der Bühne ehrt ihn. Er könnte sich dennoch ruhig etwas mehr nach vorne und in den Mittelpunkt trauen.

Eine Menge getraut hat sich an diesem Abend aber auch das Publikum. Mit jedem Lied stürzte es sich mehr in den Taumel dieser Musik, in all die südländische Freude, ja Lust am Dasein. Plötzlich waren die Schwaben mittendrin im sizilianischen Leben. Bei der Trommel-Orgie ganz zum Schluss gab es dann kein Entrinnen mehr. Und wollte auch keiner ein Entrinnen. Vielleicht weil das einer jener Momente war, in dem man ganz er (oder sie) selber ist. Und selber sein darf.

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